„Verzicht“ auf den Pflichtteil als Erlassvertrag gemäß § 397 BGB

1. Verzichtet der Erbe nicht bereits vor dem Tod auf sein Pflichtteilsrecht, sondern erst nach dem Ableben des Erblassers auf den Pflichtteil bzw. den Pflichtteilsergänzungsanspruch, so kann dieser „Verzicht“ in rechtlicher Hinsicht als Erlassvertrag gemäß § 397 BGB einzuordnen sein. Der Abschluss eines solchen Erlassvertrages ist auch formlos möglich. An die Annahme eines solchen Erlassvertrages sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.05.2001 – VII ZR 356/00). Danach muss in der Erklärung mit hinreichender Deutlichkeit unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zum Ausdruck kommen, dass eine materiellrechtlich wirkende Erklärung abgegeben werden soll. Das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages muss unmissverständlich erklärt werden. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind dabei strenge Anforderungen zu stellen; er darf insbesondere nicht vermutet werden. Selbst bei einer eindeutig erscheinenden Erklärung des Anspruchsgläubigers darf ein Verzicht nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind.

2. Eine mit Zustimmung erfolgte Schenkung bleibt analog § 1375 Abs. 3 BGB bei der Pflichtteilsergänzung unberücksichtigt.

LG Deggendorf, Endurteil vom 19.09.2019 — 32 O 779/18
(Leitsätze der Schriftleitung)

Anfechtung einer nach behördlicher Empfehlung erfolgten Erbausschlagung

Ein Erbe, der sich ausweislich seiner wegen vermeintlicher Überschuldung des Nachlasses erklärten Ausschlagung vertiefte Gedanken über die Zusammensetzung des Nachlasses nicht gemacht hat, kann, sofern sich im Nachhinein die Werthaltigkeit herausstellt, seine Erklärung gleichwohl wegen Irrtums über die Zusammensetzung des Nachlasses (Eigenschaftsirrtum) anfechten, wenn seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf einer behördlichen Empfehlung (hier von der Gemeinde im Zusammenhang mit einem Absehen wegen unbilliger Härte von einer Kostenersatzforderung für die im Wege der Ersatzvornahme veranlasste Bestattung der Erblasserin gegebene Empfehlung, das Erbe auszuschlagen) beruhte.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.01.2020 – 1-3 Wx 167/19