Zur Identifizierung der im Testament bedachten Person bei bloßer Beschreibung

1. Bei einem Erbscheinsantrag genügt insbesondere die bloße Vorlage einer Verfügung von Todes wegen nicht, wenn testamentarisch bedachte Personen lediglich über Beschreibungen, z.B. über die Bezeichnung als „Sohn“, und daher nur unter Berücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden können. In einem solchen Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer Abstammungsurkunde verpflichtet sein.

2.Steht die Identität des Erben aufgrund der Angaben von Namen und Geburtsdatum des Erben im Testament fest, kommt es auf die Angabe „mein Sohn“ nicht mehr an.

OLG Köln, Beschluss vom 14.09.2022, Leitsatz – 2 Wx 190/22

Zur Wechselbezüglichkeit von Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament bei kinderlos gebliebenen Ehegatten

1. Es ist immer eine durch Auslegung der letztwilligen Verfügung im konkreten Einzelfall zu beantwortende Frage, ob eine Schlusserbeneinsetzung bei kinderlos verstorbenen Eheleuten wechselbezüglich ist oder nicht.

2. Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung der Wechselbezüglichkeit, muss nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden, ob sie wechselbezüglich ist oder nicht. Führt die Ermittlung des Erblasserwillens weder zur gegenseitigen Abhängigkeit noch zur gegenseitigen Unabhängigkeit der beidseitigen Verfügung, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

3. Dass die Verwandten eines Ehegatten testamentarisch mit einer signifikant höheren Erbquote als die Verwandte des anderen Ehegatten bedacht worden sind, ist für die Frage einer Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung zur Schlusserbfolge ohne Bedeutung.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.04.2022, Leitsatz – 3 Wx 82/21

Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden bei falscher Schreibweise des eigenen Vornamens

1. Das Grundbuchamt hat die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung (hier: der Vollmacht) selbstständig zu prüfen. Dabei hat es vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit Volljähriger auszugehen. Ergeben sich jedoch auf Tatsachen gegründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, ist dem durch Zwischenverfügung nachzugehen und dem Antragsteller aufzugeben, die Zweifel etwa durch Vorlage ärztlicher Bescheinigungen auszuräumen. An die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit durch den beurkundenden Notar ist das Grundbuchamt nicht gebunden.

2. Hat der Erklärende bei der Unterschrift unter die Urkunde seinen Vornamen nicht fehlerfrei geschrieben und dies entweder nicht bemerkt oder trotz eines Bemerkens so hingenommen, kann dies Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich nicht um einen bloßen Schreibfehler im Sinne einer motorischen Fehlleistung handelt, sondern um eine falsche Reihenfolge der Buchstaben. Selbst wenn man ein Vertauschen der Buchstaben beim eigenen Vornamen noch für nachvollziehbar hielte, ist die Tatsache, dass der Fehler nicht korrigiert wurde, nur noch schwerlich zu erklären. Jedenfalls begründet dies einen so erheblichen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Erklärenden, dass nicht mehr vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.

OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.01.2023 – 2 Wx 64/22

Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments zugunsten „unserer Patenkinder“

1. Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments, in dem „unsere Patenkinder“ als Schlusserben bestimmt sind.

2. Setzen kinderlose Ehegatten ihre Patenkinder, die jeweils mit einem Ehegatten verwandt sind, als Schlusserben ein, kann die Testamentsauslegung auch die Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung des mit dem anderen Ehegatten verwandten Patenkindes ergeben, wenn die Ehegatten beiden Patenkindern gleichermaßen verbunden waren.

OLG München, Beschluss vom 30.01.2024, Leitsatz – 33 Wx 191/23

Sittenwidrigkeit eines notariellen Testaments zugunsten der Berufsbetreuerin

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass ein (notarielles) Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihr herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen (hier: 92-jährige, kranke Erblasserin, nach dem unmittelbar vor Einrichtung der Betreuung eingetretenen Tod ihrer Tochter ohne Angehörige, testiert vor einem von der Betreuerin beauftragten Notar zwei Wochen nach Einrichtung der Betreuung zugunsten der Betreuerin).

OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2024, Leitsatz – 6 W 175/23

Testamentsauslegung: Änderungsvorbehalt beim Ehegattentestament

Wird in einem gemeinsamen Testament durch die Eheleute bestimmt, „dass der Letztversterbende berechtigt ist, das Testament noch einseitig abzuändern, jedoch nur, indem die Verteilung des Nachlasses unter den Kindern anders geregelt wird“, kann diese Änderungsbefugnis dahingehend ausgelegt werden, dass eines der Kinder das gesamte Erbe enthält. Denn in diesem Fall handelt es sich streng genommen auch um eine „andere Verteilung“ des Nachlasses.

OLG Hamm, Beschluss vom 05.05.2022, Leitsatz – 10 W 40/21

Zu den Voraussetzungen des Nottestaments vor drei Zeugen gem. § 2250 Abs. 2 BGB

1. Die Voraussetzungen der Errichtung eines Nottestaments i.S.d. § 2250 Abs. 2 BGB sind eng auszulegen, denn § 2250 BGB ist bereits eine Ausnahmevorschrift und regelt die Zulässigkeit abweichend von den ihrerseits bereits strengen Formvorschriften der §§ 2231, 2247 BGB und der weiteren Ausnahmevorschrift des § 2249 BGB.

2. Die Mitwirkung eines vierten Zeugen, in dessen Person ein Ausschlussgrund vorliegt, ist grundsätzlich unschädlich. Dies gilt auch, wenn die Anwesenheit des vierten Zeugen die Testamentserrichtung beeinflussen könnte; denn es ist anzunehmen, dass die Anwesenheit von drei unbefangenen Zeugen eine ordnungsgemäße Testamentserrichtung gewährleistet.

3. Todesgefahr liegt objektiv vor, wenn von einem klinischen Zustand einer unmittelbar bevorstehenden Endphase des Lebens ausgegangen werden kann, wie beispielsweise beginnenden kleinen Organausfällen. Nicht ausreichend ist deshalb, dass der Erblasser wegen einer fortgeschrittenen, nicht mehr heilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat.

4. Ein Bürgermeistertestament kommt nicht lediglich in kleinen ländlichen Gemeinden in Betracht. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2250 Abs. 2 BGB stets die Vorrangigkeit auch des Bürgermeistertestaments zu beachten.

5. Die Besorgnis der Unerreichbarkeit eines Notars ist immer dann begründet, wenn das Nottestament deutlich außerhalb der üblichen Bürozeiten eines Notariats errichtet wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Erblasser einen Notar kennt.

KG Berlin, Beschluss vom 22.06.2022 – 6 W 7/21
(Leitsätze)

Zur Verschwiegenheitspflicht eines Notars hinsichtlich des eröffneten Inhalts der letztwilligen Verfügung

1. Im Rahmen des § 18 Abs. 2, 2. Hs. BNotO hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde oder ob unabhängig hiervon durch den Todesfall das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist.

2. Dabei ist nur über die auf einen bestimmten tatsächlichen Vorgang bezogene Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht zu entscheiden, aber nicht (auch nicht nur mittelbar) darüber, ob überhaupt und wie der bei einer stattgebenden Entscheidung von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar dem Antragsteller die erstrebte Information zu verschaffen hat.

3. Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um die Verwirklichung des letzten Willens sicherzustellen, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch letztere informiert werden.

BGH, Urteil vom 20.07.2020 – NotZ(Brfg) 1/19
(Leitsatz)

Testierwille

Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte, d.h. ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Zweifel an einem endgültigen Testierwillen können sich u.a. aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung und einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Bei solchen Zweifeln ist stets zu prüfen, ob es sich nicht lediglich um einen Testamentsentwurf handelt.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2021 – 10 W 18/21
(§ 133 BGB)

Vernehmung eines Notars als Zeugen

Ein zur Verschwiegenheit verpflichteter Notar kann nicht auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung eines verstorbenen Erblassers als Zeuge über dessen Willensbildung bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung vernommen werden. Maßgeblich ist insoweit allein die Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch die Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 Hs. 2 BNotO).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.03.2021 – 20 W 275/19

Tatsächliche Vermutung dahingehend, dass keine Wechselbezüglichkeit bei Erbeinsetzung der Kinder direkt durch beide Ehegatten vorliegt

1. Bei einer wechselbezüglichen Verfügung soll nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen.

2. Setzen die Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament das gemeinsame Kind jeweils direkt zu ihrem Erben ein, besteht die tatsächliche Vermutung, dass die jeweilige Erbeinsetzung nicht wechselbezüglich verfügt ist. Dies gilt, solange keine sonstigen Tatsachen vorhanden sind, aus denen geschlossen werden könnte, dass der eine Ehegatte gerade deshalb das andere Kind zu seinem Erben bestimmt hat, weil auch der andere Ehegatte entsprechend verfügt hat.

3. Die ergänzende Testamentsauslegung setzt eine Regelungslücke voraus.

4. Die Feststellungslast für die die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament begründenden Tatsachen trifft denjenigen, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt.

KG Berlin, Beschluss vom 12.02.2021 – 6 W 1071/20
(Leitsatz)

Zur Unauffindbarkeit eines Testaments und der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten

1. Die Unauffindbarkeit eines Testaments statuiert zunächst keine Vermutung dahingehend, dass es von dem Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist. Die Formgültigkeit sowie der Inhalt des Testaments können vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden, wobei an den entsprechenden Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Feststellungslast trägt hierbei derjenige, der sich auf die formgültige Errichtung des Testaments beruft.

2. Wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Es ist hierbei auch möglich, dass die Verfügungen in mehreren gemeinschaftlichen Testamenten wechselbezüglich sind.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2021 – 21 W 165/20
(Leitsatz)

Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ errichteten notariellen Testaments

1. Zur Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers.

2a. Ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, kann ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein, wenn — wie vorliegend — eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.

2b. Dass als Folge der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus erben wird (§ 1936 Satz 1 BGB), verändert den Maßstab bei der Anwendung von § 138 BGB nicht zugunsten der eingesetzten Erben.

OLG Celle, Urteil vom  07.01.2021 – 6 U 22/20
(Leitsatz)

Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in zwei getrennten Urkunden

1. Ein gemeinschaftliches Testament kann durch Ehegatten nicht nur in einer einzelnen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Erklärung ist es nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind.

2. Zu den Voraussetzungen der Amtsaufklärung der Testierfähigkeit der zur Zeit der Errichtung des Testaments unter Betreuung stehenden Erblasserin.

OLG Hamm, Beschluss vom  06.05.2021 – I-10 W 9/21
(Leitsatz)

Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung

Die Frage, ob ein Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung erfolgen kann, ist weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Nach einhelliger Ansicht der Literatur kann der Erblasser eine solche

Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen einschränken oder ausschließen.

BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – IV ZR 269/2
(Leitsatz)