Zur Vorlage eines Erbscheins bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen

1. Liegt neben dem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, so bleibt es bei der Regel des § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, sofern die Erbfolge nicht mehr ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern (auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht. Existiert neben dem öffentlichen Testament ein späteres privatschriftliches Testament, ist – auch wenn kein Widerruf gem. §§ 2254-2256 BGB vorliegt – insbesondere § 2558 BGB zu beachten, demzufolge ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Andere Beschwerungen mit Bezug zur Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) können ebenfalls die Erbfolge beeinträchtigen.

2. Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge bedeutungslos ist.

3. Eine, in einem späteren privatschriftlichen Testament eingefügte Verwirkungsklausel führt zum Verlust des Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen. Die nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung ist damit für die Erbfolge von Bedeutung.

OLG Schleswig, Beschluss vom 30.12.2022, Leitsatz – 2 Wx 29/22

Zur Identifizierung der im Testament bedachten Person bei bloßer Beschreibung

1. Bei einem Erbscheinsantrag genügt insbesondere die bloße Vorlage einer Verfügung von Todes wegen nicht, wenn testamentarisch bedachte Personen lediglich über Beschreibungen, z.B. über die Bezeichnung als „Sohn“, und daher nur unter Berücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden können. In einem solchen Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer Abstammungsurkunde verpflichtet sein.

2.Steht die Identität des Erben aufgrund der Angaben von Namen und Geburtsdatum des Erben im Testament fest, kommt es auf die Angabe „mein Sohn“ nicht mehr an.

OLG Köln, Beschluss vom 14.09.2022, Leitsatz – 2 Wx 190/22

Zur Geltendmachung des Anspruchs aus § 2287 BGB innerhalb der Anfechtungsfrist

1. Ist der Erblasser berechtigt, den Erbvertrag oder ein für ihn bindend gewordenes Testament anzufechten, kann der Erbe keinen Anspruch gem. § 2287 BGB geltend machen, wenn der Erblasser zum Nachteil des Vertrags- oder Schlusserben noch innerhalb der Anfechtungsfrist Schenkungen vornimmt, auch wenn das Testament letztlich gar nicht angefochten wird.

2. Voraussetzung für einen Anspruch des Erben gem. § 2287 Abs. 1 BGB ist, dass der Erblasser die unentgeltliche Verfügung in der Absicht vorgenommen hat, den durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament eingesetzten Erben zu benachteiligen. Eine solche Benachteiligungsabsicht ist zu verneinen, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte.

OLG Hamm, Urteil vom 09.03.2023, Leitsatz – 10 U 28/22

Anfechtung einer Erbausschlagung: Irrtum über die Werthaltigkeit des Nachlasses

Der potentielle gesetzliche Erbe, der die Erbschaft ohne Angabe von Gründen ausschlägt und sodann mit Blick auf die inzwischen festgestellte Werthaltigkeit des Nachlasses seine Ausschlagungserklärung anficht, weil er irrtümlich von einem überschuldeten Nachlass ausgegangen sei, macht nicht den Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Erbschaft), sondern einen bloßen unbeachtlichen Motivirrtum geltend, da er seine Ausschlagungserklärung ohne Kenntnis von der Zusammensetzung des Nachlasses und ohne Bewertung ihm etwa bekannter oder zugänglicher Fakten, nämlich auf spekulativer — bewusst ungesicherter – Grundlage abgegeben hat.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom  09.12.2020 –  I-3 Wx 13/20
(Leitsatz)

Zur Belegvorlage bei Auskunft und Wertermittlung im Pflichtteilsrecht

1. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen.

2. Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege (hier u.a. Bankunterlagen für die letzten 10 Jahre vor dem Erbfall) verbunden sind.

OLG München, Endurteil vom 23.8.2021 – 33 U 325/21
(Leitsatz)

Zur Verschwiegenheitspflicht eines Notars hinsichtlich des eröffneten Inhalts der letztwilligen Verfügung

1. Im Rahmen des § 18 Abs. 2, 2. Hs. BNotO hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde oder ob unabhängig hiervon durch den Todesfall das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist.

2. Dabei ist nur über die auf einen bestimmten tatsächlichen Vorgang bezogene Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht zu entscheiden, aber nicht (auch nicht nur mittelbar) darüber, ob überhaupt und wie der bei einer stattgebenden Entscheidung von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar dem Antragsteller die erstrebte Information zu verschaffen hat.

3. Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um die Verwirklichung des letzten Willens sicherzustellen, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch letztere informiert werden.

BGH, Urteil vom 20.07.2020 – NotZ(Brfg) 1/19
(Leitsatz)

Zu den Ermittlungsobliegenheiten beim fiktiven Nachlass durch einen Notar

1. Ein notarielles Verzeichnis, bei dessen Aufnahme das geltend gemachte Zuziehungsrecht missachtet wurde, hat keine Erfüllungswirkung.

2. Der Notar muss dem Verbleib erheblicher Zahlungseingänge nachgehen, wenn zwischen den eingegangenen Beträgen und den im Nachlassverzeichnis angegebenen Kontenständen beim Erbfall eine beachtliche Differenz besteht.

3. Eine Ermittlungstätigkeit des Notars, nur Überweisungen mit dem Zweck „Schenkung“ festzustellen, ist unzureichend. Allfällige Überweisungen lassen sich vielmehr an der Höhe des Überweisungsbetrages, an der zeitlichen Nähe zur Auflösung anderer Vermögenswerte oder auch an Zweifeln an dem angeblich zu Grunde liegenden Kausalgeschäft erkennen.

OLG Köln, Beschluss vom 25.02.2021 – 24 W 50/20, 24 W 51/20
(Leitsätze der Schriftleitung)

Testierwille

Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte, d.h. ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Zweifel an einem endgültigen Testierwillen können sich u.a. aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung und einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Bei solchen Zweifeln ist stets zu prüfen, ob es sich nicht lediglich um einen Testamentsentwurf handelt.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2021 – 10 W 18/21
(§ 133 BGB)

Vernehmung eines Notars als Zeugen

Ein zur Verschwiegenheit verpflichteter Notar kann nicht auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung eines verstorbenen Erblassers als Zeuge über dessen Willensbildung bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung vernommen werden. Maßgeblich ist insoweit allein die Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch die Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 Hs. 2 BNotO).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.03.2021 – 20 W 275/19

Tatsächliche Vermutung dahingehend, dass keine Wechselbezüglichkeit bei Erbeinsetzung der Kinder direkt durch beide Ehegatten vorliegt

1. Bei einer wechselbezüglichen Verfügung soll nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen.

2. Setzen die Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament das gemeinsame Kind jeweils direkt zu ihrem Erben ein, besteht die tatsächliche Vermutung, dass die jeweilige Erbeinsetzung nicht wechselbezüglich verfügt ist. Dies gilt, solange keine sonstigen Tatsachen vorhanden sind, aus denen geschlossen werden könnte, dass der eine Ehegatte gerade deshalb das andere Kind zu seinem Erben bestimmt hat, weil auch der andere Ehegatte entsprechend verfügt hat.

3. Die ergänzende Testamentsauslegung setzt eine Regelungslücke voraus.

4. Die Feststellungslast für die die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament begründenden Tatsachen trifft denjenigen, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt.

KG Berlin, Beschluss vom 12.02.2021 – 6 W 1071/20
(Leitsatz)

Zur Unauffindbarkeit eines Testaments und der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten

1. Die Unauffindbarkeit eines Testaments statuiert zunächst keine Vermutung dahingehend, dass es von dem Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist. Die Formgültigkeit sowie der Inhalt des Testaments können vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden, wobei an den entsprechenden Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Feststellungslast trägt hierbei derjenige, der sich auf die formgültige Errichtung des Testaments beruft.

2. Wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Es ist hierbei auch möglich, dass die Verfügungen in mehreren gemeinschaftlichen Testamenten wechselbezüglich sind.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2021 – 21 W 165/20
(Leitsatz)

Entlassung des Testamentsvollstreckers bei Nichtabführung der Erbschaftsteuer

1. In einem vorangegangenen Entlassungsverfahren festgestellte Pflichtverletzungen eines Testamentsvollstreckers gelten in einem späteren Entlassungsverfahren nicht als „verbraucht“.

2. Die fehlende Entrichtung der Erbschaftsteuer nach etwa fünfeinhalb Jahren stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar.

OLG Naumburg, Beschluss vom 23.02.2021 – 2 Wx 31/20
(Leitsatz)

Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ errichteten notariellen Testaments

1. Zur Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers.

2a. Ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, kann ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein, wenn — wie vorliegend — eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.

2b. Dass als Folge der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus erben wird (§ 1936 Satz 1 BGB), verändert den Maßstab bei der Anwendung von § 138 BGB nicht zugunsten der eingesetzten Erben.

OLG Celle, Urteil vom  07.01.2021 – 6 U 22/20
(Leitsatz)

Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in zwei getrennten Urkunden

1. Ein gemeinschaftliches Testament kann durch Ehegatten nicht nur in einer einzelnen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Erklärung ist es nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind.

2. Zu den Voraussetzungen der Amtsaufklärung der Testierfähigkeit der zur Zeit der Errichtung des Testaments unter Betreuung stehenden Erblasserin.

OLG Hamm, Beschluss vom  06.05.2021 – I-10 W 9/21
(Leitsatz)

Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung

Die Frage, ob ein Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung erfolgen kann, ist weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Nach einhelliger Ansicht der Literatur kann der Erblasser eine solche

Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen einschränken oder ausschließen.

BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – IV ZR 269/2
(Leitsatz)