An einen Verzicht auf den Zusatzpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen

1. An die Feststellung, der Erbe habe mit dem Pflichtteilsberechtigten, der mit einem Vermächtnis bedacht ist, durch schlüssiges Verhalten einen Verzicht auf den Zusatzpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB vereinbart, sind strenge Anforderungen zu stellen.

2. Aus § 2307 Abs. 1 BGB ergibt sich ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Verpflichtung des Pflichtteilsberechtigten, sich bei Annahme des Vermächtnisses vorzubehalten, den Zusatzpflichtteil noch geltend zu machen.

OLG Celle, Urteil vom 29.07.2024, Leitsatz – 6 U 51/23

Prüfungskompetenz des Grundbuchamts hinsichtlich der Notwendigkeit einer Zustimmung gem. § 1365 Abs. 1 BGB

Die Berechtigung und Verpflichtung des Grundbuchamts, Nachweise im Hinblick auf § 1365 Abs. 1 BGB zu verlangen, besteht nur bei konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 1365 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung.

OLG Köln, Beschluss vom 05.01.2024, Leitsatz – 2 Wx 228/23

Zur Frage des Erbnachweises im Grundbuchverfahren

Werden in einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen namentlich nicht bezeichnete Kinder als Erben bestimmt, kann das Grundbuchamt gem. § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO die Vorlage eines Erbscheins (oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses) verlangen. Geburtsurkunden in Verbindung mit einer Versicherung an Eides statt, es seien keine weiteren Kinder geboren worden, genügen für den Nachweis der Erbfolge nicht.

Kammergericht, Beschluss vom 09.07.2024, Leitsatz – 1 W 27/24

Keine Unwirksamkeit eines vor Eheschließung oder Verlobung geschlossenen Erbvertrags aufgrund der späteren Scheidung

1. § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedenfalls dann nicht analog anwendbar, wenn der Erblasser und der Bedachte im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung nicht verheiratet oder verlobt waren und auch kein hinreichender Bezug der Verfügung zu einer späteren Eheschließung vorliegt.

2. Die nichtehelichen Lebensgefährten unterlassen eine rechtliche Regelung ihrer Beziehung bewusst und verknüpfen daher in der Regel mit dem Ende ihrer Beziehung gerade keine Rechtsfolgen. Sie gehen daher auch nicht von einer „automatischen“ Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zugunsten ihres Lebensgefährten aus. Die Auslegungsregel kann deshalb auch nicht durch richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie zum allgemeinen Prinzip für letztwillige Zuwendungen an Partner einer eheähnlichen bzw. nichtehelichen Lebensgemeinschaft erhoben werden.

BGH, Beschluss vom 22.05.2024, Leitsatz – IVZB 26/23

Kein Verweigerungsrecht des Notars bei verbleibenden Unklarheiten im notariellen Nachlassverzeichnis

1. Im Hinblick auf die Urkundsgewährungspflicht des Notars sind an die Annahme eines ausreichenden Grundes im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO, der den Notar zur Verweigerung der Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB und damit seiner Urkundstätigkeit berechtigt, hohe Anforderungen zu stellen.

2. Stellt der Notar im Rahmen seiner Ermittlungspflicht die gebotenen Nachforschungen an und wirkt der Erbe bei der Sachaufklärung im erforderlichen und zumutbaren Umfang mit, berechtigen verbleibende Unklarheiten den Notar nicht zur Verweigerung seiner Amtstätigkeit.

BGH, Beschluss vom 19.06.2024, Leitsatz – IV ZB 13/23

Übertragung eines Grundstücks im Rahmen einer Erbauseinandersetzung als Vorkaufsfall

Das für den ersten Verkaufsfall bestellte dingliche Vorkaufsrecht erlischt nicht bei einer Übertragung des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Grundstücks auf einen Miterben im Rahmen eines Erbauseinandersetzung.

OLG Köln, Beschluss vom 18.03.2024, Leitsatz – 2 Wx 45/24

Keine Vergütung für Tätigkeiten von Mitarbeitern des Nachlasspflegers

Nach § 1888 Abs. 2 S. 1 BGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 VBVG in der seit 01.01.2023 maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts als Teil der Stundenvergütung des Nachlasspflegers vergütungsfähig sind allein die von dem bestellten Nachlasspfleger selbst erbrachten Leistungen, nicht aber auch von seinen Mitarbeitern erbrachte Tätigkeiten. Insoweit kommt allenfalls ein Anspruch des Nachlasspflegers gem. § 1888 Abs. 2 S. 1 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VBVG auf Erstattung der ihm aus der Zuziehung dieser Personen entstandenen und erforderlichen Aufwendungen in Betracht.

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12.04.2024, Leitsatz – 21 W 9/24

Beschränkung der Vererblichkeit des Nacherbenrechts auf Familienangehörige

Beruft der Erblasser seinen einzigen Abkömmling zum nicht befreiten Vorerben und seine einzige Enkelin zur Nacherbin, so ist im Allgemeinen die Vererblichkeit der Nacherbenstellung in Anwendung von § 2108 Abs. 2 BGB auf Familienangehörige des Erblassers beschränkt. Das gilt umso mehr, wenn der einzigen Urenkelin überdies ein lebenslanges Wohnrecht vermacht ist.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2023, Leitsatz – 3 Wx 169/23

Widerruf eines früheren Testaments durch ein späteres, die Erbfolge abschließend und umfassend neu regelndes Testaments

1. Ein Widerspruch im Sinne von § 2258 Abs. 1 BGB liegt auch dann vor, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, d.h. abschließend und umfassend, neu geregelt hat.

2. Im Erbscheinerteilungsverfahren gehen verbleibende Zweifel zulasten desjenigen, der einen Widerspruch zwischen dem früheren und einem späteren Testament geltend macht.

3. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein späteres Testament die Erbfolge vollständig und abschließend neu regelt, sind alle Umstände des Falls zu berücksichtigen, die Aufschluss über den Testierwillen des Erblassers geben können. Neben dem Wort der zur Beurteilung stehenden testamentarischen Verfügung ist auch der Inhalt früherer Testamente sowie eine dort erkennbare Übung des Erblassers, vollständige Testamente zu errichten, die allenfalls durch Streichungen oder Ergänzungen geändert werden, zu berücksichtigen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2023, Leitsatz – 3 Wx 189/23

Kein Selbstkontrahieren eines Testamentsvollstreckers bzgl. eines ihm eingeräumten Grundstückvermächtnisses ohne Bewilligung eines am Grundstück vermachten Wohnrechts für einen anderen

1. Ein Testamentsvollstrecker, der hinsichtlich des ihm als Vermächtnis zugewandten Grundstücks seine Eintragung im Grundbuch bewilligt, ohne dafür Sorge zu tragen, dass das einem anderen Vermächtnisnehmer zugewandte, nach dem Testament auch „möglichst erstrangig“ einzutragende Wohnrecht an der gesamten Grundstücksfläche zuvor eingetragen wurde, verstößt gegen das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb, ungeachtet einer vom Erblasser erteilten ausdrücklichen Befreiung, am Selbstkontrahieren gehindert.

2. Soweit ein im Grundsatz steuerpflichtiger Erwerb im Sinne des § 1 GrEStG vorliegt, ist es nicht Aufgabe des Grundbuchamts, die Entbehrlichkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung durch Klärung des Vorliegens einer Steuerbefreiung zu prüfen.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.11.2023, Leitsatz – 5 W 64/23

Nachweis der Erbfolge durch ein Europäisches Nachlasszeugnis im Grundbuchverfahren

Das Europäische Nachlasszeugnis ist auch dann als Nachweis gem. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO geeignet, wenn das Formblatt nicht vollständig ausgefüllt ist, die fehlenden Angaben sich aber aus einer mit dem Formblatt verbundenen Erklärung des ausstellenden Notars ergeben. Auch ein solches Europäisches Nachlasszeugnis erbringt gemäß § 35 Abs. 1 GBO den vollen Nachweis für die darin angegebene Erbfolge.

OLG Bremen, Beschluss vom 18.04.2024, Leitsatz – 3 W 10/24

Zum Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben

1. Zum Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.

2. Der Streitwert der Auskunftsklage nach § 2121 BGB richtet sich auch bei mehreren Nacherben nach einem Bruchteil des gesamten Nachlasswertes und wird regelmäßig mit einem Anteil zwischen 1/10 und 1/4 der Hauptforderung bewertet.

3. Die voraussichtliche Erbquote des auskunftsbegehrenden Nacherben findet bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.01.2024, Leitsatz – 3 W 113/23