Beschränkung der Vererblichkeit des Nacherbenrechts auf Familienangehörige

Beruft der Erblasser seinen einzigen Abkömmling zum nicht befreiten Vorerben und seine einzige Enkelin zur Nacherbin, so ist im Allgemeinen die Vererblichkeit der Nacherbenstellung in Anwendung von § 2108 Abs. 2 BGB auf Familienangehörige des Erblassers beschränkt. Das gilt umso mehr, wenn der einzigen Urenkelin überdies ein lebenslanges Wohnrecht vermacht ist.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2023, Leitsatz – 3 Wx 169/23

Widerruf eines früheren Testaments durch ein späteres, die Erbfolge abschließend und umfassend neu regelndes Testaments

1. Ein Widerspruch im Sinne von § 2258 Abs. 1 BGB liegt auch dann vor, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, d.h. abschließend und umfassend, neu geregelt hat.

2. Im Erbscheinerteilungsverfahren gehen verbleibende Zweifel zulasten desjenigen, der einen Widerspruch zwischen dem früheren und einem späteren Testament geltend macht.

3. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein späteres Testament die Erbfolge vollständig und abschließend neu regelt, sind alle Umstände des Falls zu berücksichtigen, die Aufschluss über den Testierwillen des Erblassers geben können. Neben dem Wort der zur Beurteilung stehenden testamentarischen Verfügung ist auch der Inhalt früherer Testamente sowie eine dort erkennbare Übung des Erblassers, vollständige Testamente zu errichten, die allenfalls durch Streichungen oder Ergänzungen geändert werden, zu berücksichtigen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2023, Leitsatz – 3 Wx 189/23

Kein Selbstkontrahieren eines Testamentsvollstreckers bzgl. eines ihm eingeräumten Grundstückvermächtnisses ohne Bewilligung eines am Grundstück vermachten Wohnrechts für einen anderen

1. Ein Testamentsvollstrecker, der hinsichtlich des ihm als Vermächtnis zugewandten Grundstücks seine Eintragung im Grundbuch bewilligt, ohne dafür Sorge zu tragen, dass das einem anderen Vermächtnisnehmer zugewandte, nach dem Testament auch „möglichst erstrangig“ einzutragende Wohnrecht an der gesamten Grundstücksfläche zuvor eingetragen wurde, verstößt gegen das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung und ist deshalb, ungeachtet einer vom Erblasser erteilten ausdrücklichen Befreiung, am Selbstkontrahieren gehindert.

2. Soweit ein im Grundsatz steuerpflichtiger Erwerb im Sinne des § 1 GrEStG vorliegt, ist es nicht Aufgabe des Grundbuchamts, die Entbehrlichkeit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung durch Klärung des Vorliegens einer Steuerbefreiung zu prüfen.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14.11.2023, Leitsatz – 5 W 64/23

Nachweis der Erbfolge durch ein Europäisches Nachlasszeugnis im Grundbuchverfahren

Das Europäische Nachlasszeugnis ist auch dann als Nachweis gem. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO geeignet, wenn das Formblatt nicht vollständig ausgefüllt ist, die fehlenden Angaben sich aber aus einer mit dem Formblatt verbundenen Erklärung des ausstellenden Notars ergeben. Auch ein solches Europäisches Nachlasszeugnis erbringt gemäß § 35 Abs. 1 GBO den vollen Nachweis für die darin angegebene Erbfolge.

OLG Bremen, Beschluss vom 18.04.2024, Leitsatz – 3 W 10/24

Zum Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben

1. Zum Streitwert einer Auskunftsklage des Nacherben gegen den Vorerben.

2. Der Streitwert der Auskunftsklage nach § 2121 BGB richtet sich auch bei mehreren Nacherben nach einem Bruchteil des gesamten Nachlasswertes und wird regelmäßig mit einem Anteil zwischen 1/10 und 1/4 der Hauptforderung bewertet.

3. Die voraussichtliche Erbquote des auskunftsbegehrenden Nacherben findet bei der Bemessung des Streitwertes keine Berücksichtigung.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.01.2024, Leitsatz – 3 W 113/23

Zur Frage der Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht

1. Die Legitimationswirkung einer transmortalen Vollmacht für Verfügungen, die der Bevollmächtigte nach dem Tod des als Eigentümer eingetragenen Vollmachtgebers vornimmt, entfällt nicht dadurch, dass der Bevollmächtigte dessen Alleinerbe geworden sein kann.

2. Das Grundbuchamt darf beim grundbuchlichen Vollzug einer Eigentumsübertragung, die der transmortal Bevollmächtigte unter Berufung auf seine Vollmacht vornimmt, dessen Erbenstellung vielmehr nur dann berücksichtigen, wenn sie in der Form des § 35 GBO nachgewiesen ist.

OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2024, Leitsatz – 15 Wx 2176/23

Zur Frage der Vergütung einer Nachlasspflegschaft

1. Eine nachträgliche Feststellung dahingehend, dass der Nachlasspfleger die Pflegschaft berufsmäßig führt, ist jedenfalls im Vergütungsverfahren nicht möglich.

2. Ist die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Nachlasspflegschaft unterblieben, ist die Vergütung des Nachlasspflegers nach Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeit sowie des – ggf. nur geschätzten – angefallenen Zeitaufwands zu bemessen.

3. Als Anhaltspunkt für eine angemessene Bemessung des Stundensatzes können in diesen Fällen die Sätze des § 3 VBVG dienen.

OLG München, Beschluss vom 30.01.2024, Leitsatz – 33 Wx 152/23

Zu den Anforderungen an eine Abhilfeentscheidung durch das Nachlassgericht

1. Will das Nachlassgericht aus der Zuwendung eines Einzelgegenstands eine Erbeinsetzung herleiten, muss es die Wertverhältnisse der einzelnen Gegenstände des Erblasservermögens im Errichtungszeitpunkt feststellen.

2. Ob die in einem Erbvertrag enthaltenen Verfügungen vertragsmäßig oder einseitig getroffen sind, bestimmt sich nach dem Erblasserwillen und ist gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu klären.

3. Hinter der Anordnung einer Pflichtteilsstrafklausel kann sich eine Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall verbergen.

OLG München, Beschluss vom 29.02.2024, Leitsatz – 33 Wx 309/23

Erteilung einer Bescheinigung über die Annahme des Testamentsvollstreckeramts

Die Erteilung einer Bestätigung über die Annahme des Amts als Testamentsvollstrecker erfolgt ohne sachliche Prüfung der Voraussetzungen für die Annahme. Vielmehr wird die Bescheinigung als reine Eingangsbestätigung oder Niederschrift über die
Amtsannahmeerklärung des Testamentsvollstreckers ausgestellt

OLG Köln, Beschluss vom 12.05.2023, Leitsatz – 2 Wx 65/23

Erbeinsetzung einer noch zu gründenden nicht rechtsfähigen Stiftung; Eintragung eines Treuhänders ins Grundbuch

1. Bei der Erbeinsetzung einer unselbstständigen Stiftung wird deren Rechtsträger Erbe und ist daher ins Grundbuch als Eigentümer einzutragen.

2. Ein Treuhänder kann als Berechtigter nur ins Grundbuch eingetragen werden, wenn er nach außen hin die volle Rechtsstellung des Berechtigten hat, nach dem Willen aller Beteiligten mithin ein echtes Treuhandverhältnis mit Übertragung des Eigentums oder Einräumung des Grundstücksrechts auf ihn gegeben ist.

OLG Köln, Beschluss vom 11.12.2023, Leitsatz – 2 Wx 203/23

Berechtigung eines Sozialhilfeträgers zur Beantragung eines Erbscheins; § 102 SGB XII, § 792 ZPO, § 352 FamFG

Allein die darlehensweise Gewährung von Sozialhilfe berechtigt die Leistungsbehörde nicht, im Rahmen des § 102 SGB XII die Erteilung eines Erbscheins für den Erben des Leistungsempfängers zu beantragen. Vielmehr sind die Ansprüche gegen den Erben durch einen eigenständigen Leistungsbescheid geltend zu machen, wobei dieser Bescheid den Vollstreckungstitel gegen den Erben bildet, ohne dass es zur Vollstreckung noch eines Erbscheins bedarf.

OLG Köln, Beschluss vom 15.12.2023, Leitsatz – 2 Wx 212/23

Erbscheinserteilungsverfahren: Zur Kostentragung bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für das Testament

1. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ausschließlich auf Antrag eingeleitet werden, gilt nach § 22 Abs. 1 GNotKG der auch sonst maßgebliche Grundsatz, dass der Veranlasser des Verfahrens für die Kosten haftet.

2. Auch bei der Kostentragungspflicht gemäß § 81 FamFG ist diese Wertung des § 22 GNotKG zu berücksichtigen.

3. Soweit sich ein Einwendungsführer ohne einen eigenen Antrag auf die Darstellung Zweifel an der Echtheit des Testaments begründender objektiver Umstände beschränkt, wird es nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen, ihm die Kosten eines Schriftgutachtens aufzuerlegen. Hierfür spricht auch die aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folgende umfassende gerichtliche Aufklärungspflicht.

OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2022, Leitsatz – 2 W 30/21

Zur Vorlage eines Erbscheins bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen

1. Liegt neben dem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, so bleibt es bei der Regel des § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, sofern die Erbfolge nicht mehr ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern (auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht. Existiert neben dem öffentlichen Testament ein späteres privatschriftliches Testament, ist – auch wenn kein Widerruf gem. §§ 2254-2256 BGB vorliegt – insbesondere § 2558 BGB zu beachten, demzufolge ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Andere Beschwerungen mit Bezug zur Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) können ebenfalls die Erbfolge beeinträchtigen.

2. Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge bedeutungslos ist.

3. Eine, in einem späteren privatschriftlichen Testament eingefügte Verwirkungsklausel führt zum Verlust des Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen. Die nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung ist damit für die Erbfolge von Bedeutung.

OLG Schleswig, Beschluss vom 30.12.2022, Leitsatz – 2 Wx 29/22

Zur Identifizierung der im Testament bedachten Person bei bloßer Beschreibung

1. Bei einem Erbscheinsantrag genügt insbesondere die bloße Vorlage einer Verfügung von Todes wegen nicht, wenn testamentarisch bedachte Personen lediglich über Beschreibungen, z.B. über die Bezeichnung als „Sohn“, und daher nur unter Berücksichtigung weiterer Umstände identifiziert werden können. In einem solchen Fall kann daher auch der gewillkürte Erbe zur Vorlage einer Abstammungsurkunde verpflichtet sein.

2.Steht die Identität des Erben aufgrund der Angaben von Namen und Geburtsdatum des Erben im Testament fest, kommt es auf die Angabe „mein Sohn“ nicht mehr an.

OLG Köln, Beschluss vom 14.09.2022, Leitsatz – 2 Wx 190/22