Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in zwei getrennten Urkunden

1. Ein gemeinschaftliches Testament kann durch Ehegatten nicht nur in einer einzelnen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Erklärung ist es nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind.

2. Zu den Voraussetzungen der Amtsaufklärung der Testierfähigkeit der zur Zeit der Errichtung des Testaments unter Betreuung stehenden Erblasserin.

OLG Hamm, Beschluss vom  06.05.2021 – I-10 W 9/21
(Leitsatz)

Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung

Die Frage, ob ein Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung erfolgen kann, ist weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Nach einhelliger Ansicht der Literatur kann der Erblasser eine solche

Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen einschränken oder ausschließen.

BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – IV ZR 269/2
(Leitsatz)

Beeinträchtigende Schenkung (§ 2287 Abs. 1 BGB) bei Erbenmehrheit

1. Der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gehört nach ständiger Rechtsprechung nicht zum Nachlass.

2. Wenn mehrere Vertragserben bzw. bindend eingesetzte Schlusserben vorhanden sind, steht der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil.

BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 8/20
(Leitsatz)

Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Testamentsechtheit

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren — wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, „der den Zweifeln Einhalt gebietet“, ohne sie völlig ausschließen zu können.

OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020 – 3 W 84/19
(§ 2247, 2267 BGB; § 26 FamFG)

Testamentswiderruf durch Streichung des eingesetzten Alleinerben

Wird der in einem privatschriftlichen Testament eingesetzte Alleinerbe vom Erblasser mit dem nicht unterschriebenen Vermerk „Wird noch genannt.” durchgestrichen, führt dies zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge, wenn entgegen der Ankündigung eine Erbeinsetzung später nicht mehr letztwillig verfügt wurde.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.03.2020 — 8 W 104/19
(Leitsatz)

Anforderungen an die Unterschrift des Erblassers unter ein notariell errichtetes Testament

1. Mit der Unterschrift unter einer notariellen Urkunde dokumentieren die Beteiligten, dass sie sich ihre Erklärungen zurechnen lassen. Dagegen dient die Unterschrift nicht der Identifizierbarkeit der Urkundsbeteiligten.

2. Für die Unterzeichnung eines notariell errichteten Testaments genügt es, wenn der Erblasser versucht, seinen Familiennamen zu schreiben und die Unterschrift aufgrund einer krankheitsbedingten Schwächung aus einem Buchstaben und einer anschließenden geschlängelten Linie besteht.

OLG Köln, Beschluss vom 18.5.2020 — 2 Wx 102/20
§§ 2232, 2247 BGB; §§ 10, 13 BeurkG

Änderungsvorbehalt im gemeinschaftlichen Testament

Setzen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament ihre beiden Kinder wechselseitig bindend zu gleichen Teilen als Erben ein und soll einschränkend der überlebende Ehegatte jedoch berechtigt sein, seine Verfügung in Bezug auf die Verteilung des Vermögens unter den gemeinschaftlichen Kindern und deren Abkömmlingen abzuändern, umfasst die eingeräumte Abänderungsbefugnis in der Regel auch die Berufung eines Kindes zum Alleinerben.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.05.2020 — 21 W 165/19
§§ 133, 2271 BGB

Zur Auslegung einer Scheidungsklausel im Erbvertrag, wenn der Scheidungsantrag zu-rückgenommen wird

1. Ist im Erbvertrag bestimmt, dass dessen Regelungen ersatzlos entfallen, wenn die Ehe der Vertragschließenden aufgelöst oder geschieden wird oder einer von ihnen den Antrag auf Scheidung stellt ohne Rücksicht darauf, ob der andere Ehepartner der Scheidung zustimmt oder nicht, bleibt es bei dieser Rechtsfolge auch, wenn ein Ehegatte den von ihm gestellten Scheidungsantrag später zurücknimmt.

2. Ein Vertrag, durch den Erbprätendenten für ihr Verhältnis untereinander verbindlich
festlegen, wie eine letztwillige Verfügung im Hinblick auf die Erbeinsetzung auszulegen ist, bedarf der notariellen Beurkundung.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.03.2019 – 1-7 U 55/18
§§ 2033, 2077, 2279, 2371, 2385 BGB

Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Testaments

Auch zwei getrennte, äußerlich nicht miteinander verbundene Einzeltestamente können eine einzige Urkunde im Rechtssinne darstellen und ein gemeinschaftliches Testament bilden, wenn ihr innerer Bezug auf andere Weise eindeutig ist. Ein Zerschneiden der ursprünglich unzerteilten Urkunde stellt nicht notwendig einen Widerruf dar.

OLG Schleswig, Beschluss vom 28.5.2018 – 3 Wx 70/17
§ 2267 BGB

Rechtsfolgen der Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod des Letztversterbenden bei einer erbvertraglichen Pflichtteilsstrafklausel

Enthält ein Erbvertrag eine Pflichtteilsstrafklausel mit eineraufschiebend bedingten Enterbung, so kann ein Pflichtteilsverlangen auf den Tod des Zuerststerbenden nur bis zum Tod des Letztversterbenden zum Ausschluss der gesetzlichen Erbfolge führen.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.08.2017 – 8 W 336/15
§ 1938 BGB

Durchstreichungen in handschriftlichem Testament

1. Ist in einem handschriftlichen Testament die Passage über die Berufung zum einzigen eingesetzten Erben durchgestrichen, so kann dem ein Aufhebungswille des Erblassers
nicht, auch nicht im Sinne einer Vermutung, entnommen werden, solange nicht feststeht, dass der Erblasser (selbst) die Veränderung vorgenommen hat.

2. Soweit bei – unterstellter – Urheberschaft des Erblassers in Bezug auf die Streichung grundsätzlich eine Vermutung für einen entsprechenden Aufhebungswillen spricht, ist diese widerlegt, wenn sich (wie hier aus dem weiteren Inhalt des Testaments sowie Zeugenbekundungen) der Wille des Erblassers ergibt, dass der durch die Streichung nahe gelegte Widerruf der Verfügung bloß eine neue letztwillige Verfü¬gung mit der Bestimmung eines neuen Erben vorbereiten, bis zu deren Errichtung indes die alte fortgelten sollte.
3. Die Bindung des Erstgerichts (hier: Nachlassgericht) an eine Anweisung des Beschwerdegerichts besteht nicht bei geänderter Sach- und Rechtslage aufgrund – ggf. ermittelter (§ 26 FamFG) – neuer berücksichtigungsbedürftiger Tatsachen.

4. Zur Bejahung der Beschwerdeberechtigung des Rechtsmittelführers im Erbscheinsverfahren genügt regelmäßig bereits die Behauptung eines (ihm zu Unrecht versagten) Erbrechts und die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass eine solche Beeinträchtigung möglich, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen erscheint.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.09.2017 – I-3 Wx 63/16
§§ 2255, 2353, 2359 BGB; § 26 FamFG

Wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments müssen nicht notwendig in einer Urkunde zeitgleich errichtet werden

1. Verfügungen, die im Wechselbezug stehen, müssen nicht zwingend zeitgleich in einer einheitlichen Urkunde getroffen werden. Sie können auch nacheinander in getrennten Urkunden niedergelegt werden. Allerdings muss in diesem Fall ein entsprechender Verknüpfungswille feststellbar sein, der sich aus den Urkunden zumindest andeutungsweise ergeben muss.

2. Auch ein langer Zeitraum von fast 40 Jahren, der zwischen den beiden Testamenten liegt, spricht nach den Gesamtumständen nicht entscheidend gegen die Annahme eines
Verknüpfungswillens der Eheleute. Anhaltspunkte für eine nachträgliche Verknüpfung können sich etwa auch aus einer inhaltlichen Bezugnahme und einer gemeinsamen
Verwahrung der Testamente ergeben.

3. Die Feststellung eines lebzeitigen Eigeninteresses erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen im Einzelfall. Es kann fehlen, wenn der Erblasser Zuwendungen erheblicher Vermögenswerte in erster Linie auf Grund eines auf Korrektur der Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornimmt.

OLG Hamm, Urt. v. 12.09.2017- 10 U 75/16
§§ 2287 Abs. 1, 2270 Abs. 1, 2271 BGB

Fehlende Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Berufung des Ehepartners zum Alleinerben im gemeinschaftlichen Testament zu einer rund zwei Jahre später gemeinsam getroffenen Schlusserbeneinsetzung

1. Werden Verfügungen in zwei zeitlich nacheinander errichteten gemeinschaftlichen Testamenten aufgenommen, kann eine Wechselbezüglichkeit nur bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen bejaht werden. Die Ehegatten müssen dazu nicht nur den Willen zur Zusammenfassung beider Testamente zum Ausdruck bringen, sondern zusätzlich hinsichtlich der früheren und der späteren Verfügung jeweils deutlich machen, dass auch inhaltlich von einem Abhängigkeitsverhältnis auszugehen ist und die frühere Verfügung entsprechend modifiziert werden soll.

2. Indiziell gegen eine Wechselbezüglichkeit spricht, wenn die beiden Verfügungen zeitlich deutlich auseinanderliegen und räumlich nicht miteinander verbunden sind. Auch eine entsprechende Willensbekundung des Längerlebenden nach dem Tod des Erstversterbenden kann für die Auslegung von Bedeutung sein.

OLG Schleswig, Beschluss vom 11.01.2016 – 3 Wx 95/15
§§ 133, 2084, 2270 BGB; § 81 FamFG

Grundsätzliche Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung bei Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB

Die nach § 2079 Satz 1 BGB wirksam erklärte Anfechtung hat grundsätzlich die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung zur Folge; einzelne Verfügungen bleiben nur dann wirksam, wenn nach § 2079 Satz 2 BGB positiv feststellbar ist, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte.

OLG Schleswig, Beschluss vom 07.12.2015 – 3 Wx 108/15
§ 2079 Satz 1 und 2 BGB