Erbunwürdigkeit bei versuchter Tötung einer Geschäftsunfähigen

Der Bundesgerichtshof urteilte, dass ein Erbe dann erbunwürdig im Sinne des §2339 Abs. 1 Satz 1 BGB ist, wenn er versucht hat, den Erblasser zu töten und kein Einverständnis des Erblassers mit der Tötung angenommen werden kann.

Der Sohn einer Erblasserin klagte gegen seinen Vater (Beklagter).
Die Erblasserin und der Beklagte hatten ein notarielles Testament errichtet, mit dem sie sich gegenseitig als Alleinerben und den Sohn (Kläger) und dessen zwei Schwestern als gleichberechtigte Schlusserben einsetzten.
Als der Beklagte einen Tötungsversuch unternahm, war die Erblasserin seit 15 Jahre an Alzheimer erkrankt. Die letzten neun Jahre davor lebte sie unter lebenserhaltenden Maßnahmen in einem Pflegeheim, in dem sie ihr Zimmer nicht mehr verlassen konnte und eine verbale Kommunikation mir ihr nicht mehr möglich war.

Der Beklagte war als ihr Betreuer eingesetzt. Er litt stark unter der Erkrankung seiner Frau, befand sich in einem depressiven Zustand und unternahm einen Selbstmordversuch.
Der Beklagte versuchte das Leben der Erblasserin zu beenden, indem er einen Schlauch zur Magensonde durchtrennte. Der Versuch wurde entdeckt und blieb ohne Folgen für die Erblasserin. Sie starb einen Monat später, ohne dass die Manipulation dafür ursächlich war.
Der Beklagte wurde wegen Totschlages in einem minder schweren Fall verurteilt.

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass die Erbunwürdigkeit nach §2339 Abs. 1 Satz 1 BGB die versuchte Tötung genauso umfasst wie eine vollendete Tötung.
Eine Tötung auf Verlangen (§216 StGB) schließe dagegen eine Erbunwürdigkeit aus, denn sie sei wie eine Verzeihung nach §2343 BGB zu bewerten.
Eine Tötung auf Verlangen konnte zu Gunsten des Beklagten aber nicht festgestellt werden. Es gab kein erkennbares Einverständnis der Erblasserin. Es fehlte dazu an eindeutigen Willensäußerungen und auch anhand von früheren Äußerungen oder ihren ethischen und persönlichen Wertvorstellungen ließ sich ein solcher Wille nicht ableiten.
Nicht zuletzt, weil seit vielen Jahren keine Kommunikation mehr mit der Erblasserin möglich war, konnte man nicht auf ihr Einverständnis zur Tötung und damit auf eine Verzeihung iSd §2343 BGB schließen.

Der Beklagte durfte auch nicht als Betreuer entscheiden, dass die lebenserhaltenden Maßnahme der Erblasserin beendet werden. Dazu lag ihm keine entsprechende Patientenverfügung vor. Um die Genehmigung des Betreuungsgerichtes, die dazu nach §§1901 ff. BGB einzuholen wäre, hatte er sich nicht bemüht.

Bei allem Verständnis für die schwierige Situation des Beklagten, lässt §2339 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Ausnahmen zu. Auf eine „hypothetische Verzeihung“ eines Erblassers kommt es nicht an und darf es nicht ankommen.

Weil die Erbunwürdigkeit die Schuldfähigkeit des Erben voraussetzt, muss sich die Berufungsinstanz der Sache noch einmal annehmen und entsprechende Festellungen treffen.

 

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. März 2015, – IV ZR 400/14 –