Zum Beweis eines Widerrufs nach § 2255 BGB

  1. Zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts ist grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verlorengegangen oder sonst nicht auffindbar ist. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden.
  2. Eine Testamentskopie allein genügt nicht, um daraus ein Erbrecht abzuleiten, denn die Fotokopie als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches Testament. Auch mit einer eidesstattlichen Versicherung darf sich das Nachlassgericht nicht begnügen. Erforderlich ist vielmehr eine im Strengbeweisverfahren durchgeführte förmliche Beweisaufnahme.
  3. Eine Vernichtung wird nicht schon durch den Umstand belegt, dass das Originaltestament nicht vorliegt. § 2255 BGB setzt für die Aufhebung einer letztwilligen Verfügung deren bewusste Vernichtung voraus. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, der Erblasser habe die Testamentsurkunde in der Absicht vernichtet, sie zu widerrufen.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 31.03.2023, Leitsatz – 11 W 73/21 (Wx)