Irrtum über Wirkungen der Rücknahme aus amtlicher Verwahrung trotz Belehrung

Die nach § 2256 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich vorgesehene, für jemanden, der in Rechtsfragen bewandert ist, schwerlich misszuverstehende, Belehrung des Erblassers dahin, dass das vor einem Notar errichtete Testament durch die Rückgabe als widerrufen gilt („Dieses Testament gilt durch die am 9. Febr. 2005 erfolgte Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen.“), schließt einen anfechtungsrelevanten Irrtum des nicht rechtskundigen Erblassers über die Widerrufswirkung nicht von vorneherein und regelmäßig nicht ohne nähere Prüfung aus.
(Dass der Erblasser sich über die Wirkungen der Rücknahme des Testaments aus der amtlichen Verwahrung nicht im Klaren war, folgte hier aus dem Umstand, dass der Erblasser kurze Zeit nach der Rücknahme der notariellen Testamente aus der amtlichen Verwahrung mehrmals ausdrücklich verfügt hatte, er müsse sein Testament ändern, er sei nicht mehr in der Lage, seiner Tochter das versprochene Geld zu vermachen.)

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.12.2015 – I-3 Wx 285/14
§§ 142; 2078 Abs. 1 Satz 1; 2080 Abs. 1, 2256 Abs. 1 Satz 2; 2257 BGB

Erbscheinsverfahren: Wertfestsetzung beim Eintritt des Nacherbfalls

1. Tritt infolge des Todes des Vorerben der Nacherbfall ein, ist eine gesonderte Wertfestsetzung für das Eigenvermögen des Vorerben und das der Nacherbfolge unterliegende Vermögen erforderlich.
2. Für die Bewertung des der Nacherbfolge unterliegenden Vermögens ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls abzustellen.

OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2015 – 1-15 W 212 + 274/15
§ 40 GNotKG; § 2100 BGB

Mehr zu Vorerbschaft und Nacherbschaft nach § 2100 BGB.

Notarielles Nachlassverzeichnis: Anwesenheitsrecht des Auskunftspflichtigen und des Auskunftsberechtigten bei der Erstellung

Ein Nachlassverzeichnis dient in erster Linie dazu, einem Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu verschaffen. Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist eine besondere Form eines Nachlassverzeichnisses.

Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist nicht bereits wegen der fehlenden Anwesenheit des zur Auskunft Verpflichteten bei der Erstellung des Verzeichnisses unzureichend. Bei einer vorab erfolgten Belehrung über seine Mitwirkungs- und Auskunftsverpflichtungen wäre eine erneute Anwesenheitspflicht bloße Förmelei. Auch wenn der Auskunftsberechtigte bei der Erstellung des Verzeichnisses ebenfalls nicht anwesend war, ist das Verzeichnis nicht unzureichend, da das Anwesenheitsrecht des Auskunftsberechtigten insbesondere den Zweck hat, dem Berechtigten bei der ersten Erfassung des Nachlasses einen Überblick zu verschaffen und ihm darüber hinaus eine Kontrolle und Mitwirkung zu ermöglichen.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.09.2015 – 3 W 89/15
§ 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB

Mehr Informationen zum notariellen Nachlassverzeichnis iSd § 2314 Abs. 1 BGB.

Übernahmepflicht von Bestattungskosten nach Sozialhilferecht

Nicht in jedem Fall muss das Sozialamt die Beerdigungskosten/ Bestattungskosten übernehmen, wenn der Hinterbliebene bedürftig ist.

1. Ein potenzieller Erbe kann trotz Ausschlagung des Erbes nach landesrechtlichen Vorschriften zur Bestattung verpflichtet sein.
2 . Die Erbausschlagung bewirkt, dass die Erbschaft als von Anfang an nicht angefallen gilt. Ein eventueller Nachlasswert steht deshalb dem zur Bestattung Verpflichteten zu keinem Zeitpunkt als „bereites Mittel“ zur Bestreitung der Bestattungskosten zur Verfügung.
3. Der Sozialhilfeträger muss einen Erbverzicht als zivilrechtliches Gestaltungsrecht des Hilfesuchenden nicht in jedem Fall zu Lasten der Allgemeinheit gänzlich hinnehmen (Anschluss an Bay. LSG v. 30.07.2015 – L 8 SO 146/15 B ER). Zu prüfen ist dann, ob von dem Hilfesuchenden unter sittlichen Aspekten erwartet werden muss, dass dieser vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe einen ihm angetragenen oder angefallenen Vermögenserwerb wahrnimmt. Eine solche Prüfung muss aber zurückhaltend und unter Beachtung bestehender gesetzlicher Wertungen wie den Vorschriften zum Einkommens- und Vermögenseinsatz erfolgen.

SG Karlsruhe, Urt. v. 30.10.2015 – S 1 SO 1842/15
§§ 2 Abs. 1, 74, 98 SGB XlI; § 31 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 des Bestattungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg

Bindung des Grundbuchamtes an Testamentsvollstreckerzeugnis

Sind im Testamentsvollstreckerzeugnis keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse angegeben, hat das Grundbuchamt in aller Regel ohne eigene Sachprüfung davon auszugehen, dass Einschränkungen der gesetzlichen Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nicht bestehen.

OLG München, Beschluss vom 16.11.2015 – 34 Wx 178/15
§§ 2205, 2208, 2216, 2217, 2368 BGB; § 35 Abs. 2 GBO

Anforderung an die Beweisführung, wenn ein Testament nur in Kopie vorliegt

1. Bei einem nicht mehr im Original auffindbaren Testaments erfordert die Amtsermittlungspflicht eine besonders gründliche Aufklärung der Übereinstimmung einer Kopie mit dem verschwundenen Original. Dies erfordert regelmäßig eine förmliche Beweisaufnahme („Strengbeweis“) durch Vernehmung dazu benannter Zeugen.
2 . Die Fotokopie eines Testaments als solche erfüllt nicht die Anforderungen an ein formgültiges privatschriftliches
Testament; allein aus einer vorgelegten Testamentskopie kann ein Erbrecht daher nicht abgeleitet werden. Das ändert aber nichts daran, dass auf andere Weise der Nachweis geführt werden kann, dass der Erblasser ein formgerechtes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt errichtet hat.
3. Ist der Beweis der formgültigen Errichtung und des genauen Inhalts der Verfügung erbracht, ist die Rechtslage nicht anders als bei Vorlage eines Testaments in Urschrift zu beurteilen. Ein formgültiges Testament behält seine Wirkung so lange, bis es vom Erblasser wirksam widerrufen wird. Hat der Erblasser die Urkunde vernichtet, so wird zwar vermutet, dass er damit die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe (§ 2255 Satz 2 BGB). Bevor diese Vermutung eingreift, müssen jedoch ihre Voraussetzungen feststehen. Die bloße Tatsache der Unauffindbarkeit der Urkunde besagt für sich allein noch nichts; sie begründet insb. keine tatsächliche Vermutung oder einen Erfahrungssatz, dass das Testament durch den Erblasser vernichtet worden ist.
(Leitsatz 2 und 3 der Schriftleitung)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.10.2015 – 11 Wx 78/14
§ 2255 BGB; § 30 FamFG

Vererblichkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei Tod des Beamten

Bei Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Tod des Beamten entsteht ein unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG abzuleitender, vererblicher Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs. Ein solcher Abgeltungsanspruch entsteht nur im Hinblick auf die unionsrechtlich gewährleistete Mindesturlaubsdauer, nicht aber auch im Hinblick auf durch nationale Bestimmungen – wie etwa § 125 Abs. 1 SGX IX – gewährleistete weitergehende Urlaubsansprüche.
VG Karlsruhe, Urteil vom 16.07.2015 – 3 K 24/15
Artikel 7 Absatz 2 der RL 2003/88/EG

Kosten eines Feuerwehreinsatzes – Zustandshaftung bei Zwangserbschaft des Fiskus

Das Land Niedersachsen kann als Zwangserbe eines Grundstücks nicht die Dürftigkeitseinrede des § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB geltend machen, wenn es wegen einer nach dem Erbfall eingetretenen Störung als Zustandsstörer in Anspruch
genommen wird, da die Kosten dieser Inanspruchnahmen Eigenverbindlichkeiten des Erben und keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 BGB darstellen.
VG Hannover, Urteil vom 03.09.2015 – 10 A 6190/13
§§ 1967, 1990 BGB; §§ 29 Absatz 4 Nr. 3, 29 Absatz 2 Nr. 3 BrandSchG ND

Gewährung rechtlichen Gehörs durch das Grundbuchamt vor der Löschung eines Nacherbenvermerks

Dem Nacherben ist vor der Löschung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch auch dann rechtliches Gehör zu gewähren, wenn ein ernsthaftes Bestreiten der Entgeltlichkeit der Verfügung bei entsprechender Würdigung der Person des Käufers nicht in Betracht kommt.
OLG Bamberg, Beschluss vom 22.01.2015 – 3 W 3/15
§§ 2113 Abs. 2 Satz 1 BGB, Artikel 103 Absatz 11 GG

Voraussetzungen des Absehens des Nachweises der Erbfolge durch Vorlage eines Erbscheins

Die Anwendbarkeit des § 35 Abs. 3 GBO setzt nicht nur die Einhaltung der Wertgrenze für das betreffende Grundstück oder dessen Anteil voraus, sondern verlangt im Interesse der Rechtssicherheit auch, dass die Beschaffung des Erbscheins mit unverhältnismäßigen Aufwand an Kosten und Mühe verbunden ist.
OLG Jena, Beschluss vom 22.10.2014 – 3 W 423/14
§ 35 Abs. 3 GBO

§ 35 GBO
(1) Der Nachweis der Erbfolge kann nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins oder des Europäischen Nachlasszeugnisses die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden; erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses verlangen.
(2) Das Bestehen der fortgesetzten Gütergemeinschaft sowie die Befugnis eines Testamentsvollstreckers zur Verfügung über einen Nachlassgegenstand ist nur auf Grund der in den §§ 1507, 2368 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorgesehenen Zeugnisse oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses als nachgewiesen anzunehmen; auf den Nachweis der Befugnis des Testamentsvollstreckers sind jedoch die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Zur Eintragung des Eigentümers oder Miteigentümers eines Grundstücks kann das Grundbuchamt von den in den Absätzen 1 und 2 genannten Beweismitteln absehen und sich mit anderen Beweismitteln, für welche die Form des § 29 nicht erforderlich ist, begnügen, wenn das Grundstück oder der Anteil am Grundstück weniger als 3 000 Euro wert ist und die Beschaffung des Erbscheins, des Europäischen Nachlasszeugnisses oder des Zeugnisses nach § 1507 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur mit unverhältnismäßigem Aufwand an Kosten oder Mühe möglich ist. Der Antragsteller kann auch zur Versicherung an Eides Statt zugelassen werden.

Erbeinsetzung, bedingt durch Pflege der Tiere des Erblassers

Kommt es im Falle einer durch die Aufnahme von Tieren des Erblassers zur Pflege bedingten Erbeinsetzung nachfolgend nicht zu einer Aufnahme der Tiere, so wird dieser Testamentserbe nicht Erbe, wenn es nach dem Tod des Erblassers zu einer anderweitigen Unterbringung der Tiere kommt und der Testamentserbe trotz Aufnahmemöglichkeit die Aufnahme der Tiere ablehnt, weil sie nunmehr anderweitig gut aufgehoben sind.
AG Lüdinghausen, Beschluss vom 19.08.2015 – 27 VI 230/14
§§ 1922, 2074, 2075, 2353 BGB

Heranziehung von Geschwistern zu Bestattungskosten

Die im NBestattG zugelassene Heranziehung von Geschwistern stellt sich auch im Übrigen nicht als willkürlich und verfassungswidrig dar. Die Bestattungspflicht der Angehörigen einschließlich der Geschwister dient dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die ordnungsgemäße Durchführung der Bestattung Verstorbener zu gewährleisten. Es liegt im öffentlichen Interesse, dass jeder menschliche Leichnam bestattet wird. Die Bestattung dient dazu, Gefahren für die öffentliche Gesundheit und eine Verletzung des in der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) wurzelnden Gebots der Pietät gegenüber Verstorbenen und des sittlichen Empfindens in der Bevölkerung zu verhüten, die typischerweise (abstrakt) durch den fortschreitenden Verwesungsprozess nicht bestatteter menschlicher Leichen drohen.
VG Oldenburg, Urteil vom 10.06.2015 – 5 A 1706/14

Zwangsmittel bei Verzögerungen der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses

1. Die Auskunftsverpflichtung nach § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB ist auf eine unvertretbare Handlung gerichtet, deren Vollstreckung nach § 888 ZPO zu erfolgen hat, auch wenn die Mitwirkung eines Dritten – hier: des Notars notwendig ist.
2. Zwar fallen Verzögerungen bei der Arbeit der Notariate grundsätzlich nicht den jeweiligen Antragstellern zur Last. Sind diese Antragsteller aber gleichzeitig Schuldner eines Anspruchs – hier; eines Auskunftsanspruchs -, so obliegt es ihnen nicht nur, auf eine zeitnahe Erledigung mit Nachdruck hinzuwirken, sondern bei Erfolglosigkeit dieses Bestrebens gegebenenfalls Rechtsbehelfe gegen den Notar zu ergreifen oder einen anderen Notar zu beauftragen.
OLG Stuttgart Beschluss vom 16.02.2015 – 19 W 67/14

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und des Auskunftsanspruchs in seinen unterschiedlichen Stärkegraden

1. Bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist Entscheidungsgrundlage das gesamte mündliche und schriftliche Vorbringen einschließlich von Prozesshandlungen, die in vorbereitenden Schriftsätzen erst für eine mündliche Verhandlung angekündigt worden sind. Das gilt auch für geänderte Anträge, die erst nach einer vorausgegangenen mündlichen Verhandlung schriftsätzlich eingereicht worden sind.
2. Die Auskunftsansprüche aus § 2314 BGB verjähren im Grundsatz selbstständig und unabhängig von dem Pflichtteilsanspruch.
3. Zur Frage, ob die klageweise Geltendmachung des Auskunftsanspruchs aus § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB auch die Verjährung der stärkeren Stufen des Auskunftsanspruchs (insbes. den Anspruch auf ein notarielles Verzeichnis) hemmt.

OLG Schleswig, Urt. v. 05.05.2015 – 3 U 98/14

Wiederverheiratungsklausel mit Vermächtnis zugunsten der Abkömmlinge des Erstversterbenden

Eine letztwillige Verfügung, die den überlebenden Ehegatten für den Fall der Wiederverheiratung mit einem Vermächtnis zugunsten der Abkömmlinge des Erstversterbenden in Höhe des Wertes des Nachlasses des Erstversterbenden belastet, ist nichtig. Die ergänzende Testamentsauslegung kann in einem solchen Fall jedoch einen Vermächtnisanspruch in einer Höhe ergeben, der dem überlebenden Ehegatten einen Nachlasswert in Höhe des Pflichtteils überlässt.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 15.10.2014 – 5 U 19/13