Erbenfeststellungsklage

1. Die Relativität von Prozessrechtsverhältnissen beschränkt bei Klagen, die auf Feststellung des Erbrechts gerichtet sind, nicht den Prüfungsumfang des Gerichts hinsichtlich der Auslegung von Verfügungen von Todes wegen. Verfügungen des Erblassers dürfen auch dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn sie das konkrete Prozessrechtsverhältnis nur mittelbar betreffen.

2. Deshalb bleibt eine auf Feststellung des Erbrechts gerichtete Feststellungsklage auch dann erfolglos, wenn ein Dritter, der nicht am Rechtsstreit beteiligt ist, zweifelsfrei Erbe geworden ist.

3. Wird über die positive Feststellung der eigenen Erbenstellung hinaus die Feststellung beantragt, die beklagte Partei sei nicht Erbe geworden, besteht für eine solche Klage kein Feststellungsinteresse.

4. Geht es um die Frage, ob eine Ersatzerbeneinsetzung gegen § 14 HeimG verstößt, setzt ein Verstoß voraus, dass zwischen dem Testierenden und dem Ersatzerben Einvernehmen im Hinblick auf die Zuwendung vorliegt.

OLG München, Beschluss vom 05.07.2021 – 33 U 7071/20

Ausschlagung eines minderjährigen Kindes

1. Bei der Ausschlagung der einem minderjährigen Kind angefallenen Erbschaft handelt es sich gemäß § 1643 Abs. 2 BGB um eine genehmigungsbedürftige Erklärung. Hat das Familiengericht die Genehmigung versagt, so hat dies zur Folge, dass das minderjährige Kind gesetzliche Erbin bleibt und für etwaige Nachlassverbindlichkeiten haftet.

2. Mit der Beschwerde kann nur erreicht werden, dass die Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft erteilt wird. Damit ist die Erbschaft indes noch nicht ausgeschlagen. Vielmehr steht es der Sorgerechtsinhaberin frei, ob sie von der Genehmigung gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch macht oder nicht.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2021 – 13 WF 14/21
(Leitsatz der Schriftleitung)

Pflichtteilsentziehung

Der Entziehungsgrund des § 2333 Abs.1 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte zu einer Einzelstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden ist; die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung oder — wie vorliegend — die Verhängung mehrerer Gesamtfreiheitstrafen, die zusammengerechnet eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung ergeben, reicht nicht aus.

OLG Köln, Beschluss vom 21.01.2021 – 1-24 U 144/20
(Leitsatz der Schriftleitung)

Beginn der Verjährung von Pflichtteilsansprüchen Geschäftsunfähiger

1. Für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs eines Geschäftsunfähigen ist auf die Bestellung des Vormunds bzw. Betreuers und dessen Kenntnis abzustellen (§ 210 BGB).

2. Ein Vormund ist durch $ 1795 BGB nicht gehindert, von der Erhebung einer Klage bzw. Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags namens des Mündels gegen den Vormund oder einen nahen Angehörigen abzusehen.

OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2020 – 10 U 103/19

Zurückbehaltungsrecht zugunsten des Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten in Zahlungsstufe

1. Durch notariellen Pflichtteilsverzicht kann die Anrechnung auf den Pflichtteil nach § 2315 BGB einer Zuwendung eines Ehegatten an den gemeinsamen Abkömmling auch für den Nachlass des anderen Ehegatten angeordnet werden.

2. Ist dem Pflichtteilsberechtigten unter Pflichtteilsanrechnung eine Immobilie zugewendet worden und hat dieser auf Verlangen des Erben hierzu keine wertbildenden Faktoren mitgeteilt, kann der Erben sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gegenüber den Pflichtteilszahlungsansprüchen berufen.

OLG Oldenburg, Urteiil vom 23.06.2021 – III U 88/20
(Leitsatz)

Grabpflegekosten keine Nachlassverbindlichkeiten

1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.

2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.

3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB.

BGH, Urteil vom 26.05.2021 – IV ZR 174/20
§ 1968, 2305 BGB

Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Testamentsechtheit

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren — wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, „der den Zweifeln Einhalt gebietet“, ohne sie völlig ausschließen zu können.

OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020 – 3 W 84/19
(§ 2247, 2267 BGB; § 26 FamFG)

Vorsorgevollmacht und Rechnungslegungspflicht eines Sohnes

1. Das eine Rechnungslegungspflicht auslösende Auftragsverhältnis kann nicht schon aus einer bloßen Bevollmächtigung als solcher abgeleitet werden. Sie betrifft regelmäßig nur das rechtliche Dürfen nach außen. Erforderlich ist die Einigung darüber, dass jemand für einen anderen in dessen Angelegenheiten tätig wird und pflichtgemäß tätig werden muss.

2. Der Grundsatz, wonach Ehegatten regelmäßig kein Auftragsverhältnis untereinander begründen, gilt wegen des die Ehe prägenden besonderen Vertrauensverhältnisses nicht pauschal für andere Angehörigenbeziehungen. Daraus folgt für das Verhältnis der Mutter zu dem von ihr bevollmächtigten Sohn indes auch nicht umgekehrt bereits „automatisch“ ein Auftragsverhältnis (nebst Rechnungslegungspflicht). Entscheidend sind vielmehr alle Umstände des Einzelfalles.

3. Einigt sich eine Mutter mit ihrem erwachsenen, mit ihr nicht im selben Haushalt lebenden Sohn darauf, dass, falls sie irgendwann durch Krankheit oder Behinderung vorübergehend oder dauerhaft selbst nicht mehr dazu in der Lage sein sollte, ihre rechtlichen Angelegenheiten zu regeln und ihren Willen zu äußern, der Sohn sich um die Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten kümmern soll, und wird ihm im Zusammenhang mit dieser Einigung von der Mutter eine ausdrücklich nur unter denselben Voraussetzungen geltende Vorsorgevollmacht erteilt, ist regelmäßig von einem zum Eintritt der entsprechenden Hilfsbedürftigkeit der Mutter wirksam werdenden Auftragsverhältnis auszugehen; ein solches Auftragsverhältnis verpflichtet den Sohn in der Regel dann auch zur Rechnungslegung.

4. Soweit ein auf die Erben einer Vollmachtgeberin übergegangener Rechnungslegungsanspruch nicht besteht, lässt das etwaige Auskunfts- und Zahlungsansprüche der Erbengemeinschaft gegen den Bevollmächtigten unberührt.

OLG Braunschweig, Urteil vom 28.04.2021 – 9 U 24/20

Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel

Eine Pflichtteilsklausel, die auf ein „Verlangen“ des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten abstellt, greift nicht bereits dann ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung des Überlebenden angreift (im Anschluss und in Abgrenzung zu OLG München, Beschl. v. 7.4.2011 – 31 Wx 227/10).

OLG München Beschl. v. 6.12.2018 — 31 Wx 374/17
§§ 2075, 2269 BGB

Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bei einer Erbengemeinschaft

1. Der Miterbe, der allein oder zusammen mit weiteren Miterben Titelgläubiger (hier: in einem Zuschlagsbeschluss) eines zum Nachlass gehörenden Anspruchs ist, kann die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen.

2. Dieser Miterbe kann eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels verlangen, die nur ihn als Vollstreckungsgläubiger ausweist.

BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZB 69/18
(Leitsatz)

Testamentsauslegung: Anwachsung oder Ersatzerbschaft bei Wegfall eines (Schluss-)Miterben

1. Für eine Erbeinsetzung durch Zuwendung von Vermögen ohne Erbenbezeichnung gemäß § 2087 BGB ist der Wille entscheidend, den Bedachten insoweit als Gesamtrechtsnachfolger einzusetzen; mit der Bestimmung, die Beerdigung zu übernehmen und den Hausstand aufzulösen, ist eine Erbeinsetzung nicht verbunden.

2. Fällt ein Miterbe vor dem Erbfall weg, ist bei der gebotenen erläuternden oder ergänzenden Auslegung der letztwilligen Verfügung vorweg zu prüfen und festzustellen, ob Ersatzerbschaft angeordnet ist, die eine Anwachsung verdrängt (arg. e. §§ 2094 Abs. 1,2096, 2099 BGB).

3. Für den Ausschluss der Anwachsung gemäß § 2094 Abs. 3 BGB genügt es, wenn er aus dem Gesamtinhalt der Verfügung mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist.

4. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB zugunsten der Erbschaft von Abkömmlingen als Ausprägung einer allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht — auch nicht analog — in der Seitenlinie anwendbar, für die eine solche Erfahrungsgrundlage fehlt.

5. Die erläuternde oder ergänzende Auslegung, dass in der Erbeinsetzung zugleich die Kundgabe des Willens liegt, Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben zu berufen, bedarf einer zusätzlichen Begründung der dahin gehenden Willensrichtung des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

6. Ein enges Verhältnis des eingesetzten Erben zum Erblasser reicht für die Feststellung eines solchen Erblasserwillens allein nicht; zusätzlich sind Umstände erforderlich, die ergeben, dass die Zuwendung dem Bedachten als erstem seines Stammes und nicht nur ihm persönlich gegolten hat.

7. Die Annahme, schon in der Berufung als Erbe sei ein Stammesbezug im Testament angedeutet, führt zur Rechtsunsicherheit und ist mit den Formvorschriften der §§ 2247, 2267 BGB nicht zu vereinbaren.

8. Die Auslegungsregeln des § 2066 BGB zugunsten gesetzlicher Erben und des § 2067 BGB zugunsten von Verwandten ohne nähere Bestimmung scheiden bei namentlichen oder auch nur individualisierenden Bezeichnungen von Bedachten aus.

KG Beschluss vom 22.06.2020 – 19 W 91/19
(Leitsätze von RiBGH a.D. Roland Wendt, Karlsruhe)

Berechtigtes Interesse eines Pflichtteilsberechtigten an der Einsicht ins Grundbuch

Ein Pflichtteilsberechtigter, der nach Eintritt des Erbfalls erbrechtliche Ansprüche prüfen möchte, hat im Regelfall ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i.S.v. § 12 Abs. 1 GBO. Ein solches kann nur im Einzelfall ausnahmsweise verneint werden. Für die Annahme eines Ausnahmefalles genügt ein vom Erblasser angeordneter Pflichtteilsentzug nicht, wenn dessen Wirksamkeit eher fernliegt.

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.08.2020 – 3 W 121/19
(Leitsatz)

Zu den Anforderungen an die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses durch einen Notar

Bei der Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses über den Nachlass steht der Umfang der Ermittlungen über den Nachlassbestand nicht allein im Ermessen des Notars; vielmehr hat der Notar diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

OLG Celle, Urteil vom 29.10.2020 – 6 U 34/20
(Leitsatz)

Berechtigtes Interesse an einer Akteneinsicht in Nachlassakten

1. Eine Beschwerde gem. § 58 Abs. 1 FamFG ist grundsätzlich nur statthaft gegen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach dem FamFG. Eine solche liegt vor, wenn sie ein auf Antrag oder ein von Amts wegen eingeleitetes Verfahren insgesamt erledigt oder seine Anhängigkeit hinsichtlich eines einer selbstständigen Erledigung zugänglichen Teils des Verfahrensgegenstandes beendet.

2. Ein rechtlicher Hinweis des Rechtspflegers, dass und aus welchen Gründen einem Akteneinsichtsgesuch nicht entsprochen werden könne, ist nicht gem. $ 58 Abs. 1 FamFG anfechtbar.

3. Ein Recht auf Akteneinsicht gem. $ 13 Abs. 2 FamFG für nicht am Verfahren beteiligte Personen hängt von der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses ab, dem schutzwürdige Interessen eines Beteiligten oder Dritter nicht entgegenstehen dürfen.

4. Für die Annahme eines berechtigten Interesses i.S.v. $ 13 Abs. 2 S. 1 FamFG genügt jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art. Befindet sich der Einsichtssuchende jedoch bereits im Besitz aller notwendigen Informationen und ist nicht ersichtlich, dass die Einsicht zu weiteren Erkenntnissen führen könnte, fehlt insoweit das berechtigte Interesse.

OLG Köln – 2 Wx 219/20, Beschluss vom 05.10.2020
(Leitsatz)