Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns durch Berichterstattung über den Tod der Ehefrau

1. Zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Ehemanns durch eine Berichterstattung über die Umstände des Todes der Ehefrau.

2. Gegen rechtsverletzende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht kann nur der unmittelbar Verletzte, nicht auch derjenige vorgehen, der von den Fernwirkungen eines Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht eines anderen nur mittelbar belastet wird, solange diese Auswirkungen nicht auch als Verletzung des eigenen Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren sind. Es hängt von den Umständen einer Berichterstattung über den Tod einer Person im Einzelfall ab, ob sie das Persönlichkeitsrecht eines nahen Angehörigen unmittelbar oder nur mittelbar beeinträchtigt.

3. Eine vom Recht auf Achtung der Privatsphäre umfasste Situation großer emotionaler Belastung kann auch die des Bangens um das Leben eines nahen Angehörigen sein.

BGH, Urteil vom 17.05.2022 – VI ZR 123, 124, 125 und 141/21

Hemmung der Abschmelzungsfrist bei vorbehaltenem Wohnungsrecht

1. Das dem Erblasser eingeräumte Wohnungsrecht hemmt im vorliegenden Einzelfall den Beginn der Abschmelzungsfrist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB, weil es an allen relevanten Räumen des verschenkten Hauses besteht, so dass der Erwerber insoweit keine eigene Nutzungsmöglichkeit hatte (Anschluss an BGH Urt. v. 29.06.2016 – IV ZR 474/15).

2. In einem solchen Fall sind die Unterschiede zwischen einem vorbehaltenen Nießbrauch und dem tatsächlich vereinbarten Wohnungsrecht so gering, dass die Interessen des Pflichtteilsberechtigten, denen bei der Beurteilung der Frage der Hemmung des Fristenlaufs gemäß § 2325 Abs. BGB besonderes Gewicht zukommt, es rechtfertigen, den Lauf der Frist gemäß § 2325 Abs. 3 BGB als gehemmt anzusehen (Anschluss an BGH Urt. v. 19.07.2011 – X ZR 140/10).

OLG München, Urteil vom 08.07.2022 – 33 U 5525/21
(§ 2325 BGB)

Ersatzanspruch gemäß § 1968 BGB

1. Werden die Kosten der Beerdigung von dem Bestattungsberechtigten getragen, so begründet § 1968 BGB einen Ersatzanspruch gegen den Erben.

2. Der Umfang der Erstattungspflicht wird in erster Linie durch die Lebensstellung des Verstorbenen bestimmt und umfasst diejenigen Kosten, die für eine würdige und angemessene Bestattung erforderlich sind.

3. Sieht sich ein zu Lebzeiten vom Erblasser Bevollmächtigter nicht lediglich einem Verlangen des Erben nach Auskunft und Rechenschaftslegung über die erfolgten Kontobewegungen ausgesetzt, sondern dem klar formulierten – aber in der Sache unberechtigten – unmittelbaren Vorwurf eines von ihm in Benachteiligungsabsicht begangenen Missbrauchs der Kontovollmacht nebst Rückzahlungsaufforderung, darf der Bevollmächtigte zur Abwehr dieser Ansprüche einen Rechtsanwalt einschalten und dessen Kosten als Schadensersatz gegenüber dem Erben geltend machen.

4. Zudem kann für eine negative Feststellungsklage ein Interesse des Bevollmächtigten an der Feststellung, dass ein im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergegangener Zahlungsanspruch nicht besteht, angenommen werden.

OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 03.09.2021 – 12 U 752/21
(Leitsatz)

Zur vorsorglichen Bestellung eines weiteren Testamentsvollstreckers

In Ermangelung eines wirksamen Ersuchens des Erblassers, das sich dem Testament – ggf. durch Auslegung – entnehmen lassen muss, kann das Nachlassgericht auch bei Zweifeln an der Amtsführung des derzeitigen Amtsinhabers nicht vorsorglich einen weiteren Testamentsvollstrecker bestellen.

OLG Saarbrücken, Beschluss vom 04.05.2021 – 5 W 52/20
(Leitsatz)

§ 2227 BGB Entlassung des Testamentsvollstreckers: Auslegung des Merkmals „wichtiger Grund“

1. Ob ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227 BGB 1. vorliegt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalles. Dabei ist bereits bei der Prüfung eines wichtigen Grundes zwischen dem Interesse an der Beibehaltung im Amt und dem entgegengesetzten Interesse an der Entlassung des Testamentsvollstreckers abzuwägen mit der Folge, dass im Ergebnis nur Gründe eine Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers rechtfertigen, die ein solches Gewicht besitzen, dass sie sich gegenüber den für eine Fortführung des Amtes sprechenden Gründen durchsetzen.

2. Steht die fachliche Eignung des Testamentsvollstreckers außer Frage und wird das Entlassungsgesuch vom Miterben alleine mit dem Vorwurf begründet, der Testamentsvollstrecker habe bei der Verwaltung oder Auseinandersetzung des Nachlasses seine Pflichten verletzt, setzt ein wichtiger Grund im Sinne von § 2227 BGB dreierlei voraus:

a) Die zur Last gelegte Pflichtverletzung muss geeignet sein, die berechtigten Belange des antragstellenden Miterben, namentlich die mit seiner Miterbenstellung verbundenen Vermögensinteressen, zu beeinträchtigen.

b) Die Pflichtverletzung muss zudem schuldhaft begangen worden sein und überdies ein solches Gewicht besitzen, dass sie nach den konkreten Umständen des Falles als eine grobe Verfehlung betrachtet und wertungsmäßig mit der Unfähigkeit des Testamentsvollstreckers zu einer ordnungsgemäßen Ausübung seines Amtes auf eine Stufe gestellt werden kann.

c) Die Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Erblassers muss schließlich zu dem Ergebnis führen, dass der. Testamentsvollstrecker aus seinem Amt entfernt werden muss.

d) Im Einzelfall kann die Anwendung dieser Grundsätze dazu führen, dass eine Entlassung aus dem Testamentsvollstreckeramt nur dann verlangt werden kann, wenn der Testamentsvollstrecker bei der Verwaltung und Auseinandersetzung des gesamthänderisch gebundenen Nachlasses zum Nachteil des Antragstellers und in einem Maße grob pflichtwidrig gehandelt hat, dass diesem ein weiteres Tätigwerden des Testamentsvollstreckers nicht zugemutet werden kann.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.10.2021 – I-3 Wx 59/21
(Leitsatz)

Anfechtung einer Erbausschlagung: Irrtum über die Werthaltigkeit des Nachlasses

Der potentielle gesetzliche Erbe, der die Erbschaft ohne Angabe von Gründen ausschlägt und sodann mit Blick auf die inzwischen festgestellte Werthaltigkeit des Nachlasses seine Ausschlagungserklärung anficht, weil er irrtümlich von einem überschuldeten Nachlass ausgegangen sei, macht nicht den Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (Erbschaft), sondern einen bloßen unbeachtlichen Motivirrtum geltend, da er seine Ausschlagungserklärung ohne Kenntnis von der Zusammensetzung des Nachlasses und ohne Bewertung ihm etwa bekannter oder zugänglicher Fakten, nämlich auf spekulativer — bewusst ungesicherter – Grundlage abgegeben hat.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom  09.12.2020 –  I-3 Wx 13/20
(Leitsatz)

Zur Belegvorlage bei Auskunft und Wertermittlung im Pflichtteilsrecht

1. Der Pflichtteilsberechtigte hat im Rahmen des Auskunftsanspruchs zu Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Belegen.

2. Wird der Beklagte nicht nur zur Auskunftserteilung, sondern auch zur Belegvorlage verurteilt, kommt es für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstandes auch auf die Kosten an, die mit der Beschaffung der Belege (hier u.a. Bankunterlagen für die letzten 10 Jahre vor dem Erbfall) verbunden sind.

OLG München, Endurteil vom 23.8.2021 – 33 U 325/21
(Leitsatz)

Zur Verschwiegenheitspflicht eines Notars hinsichtlich des eröffneten Inhalts der letztwilligen Verfügung

1. Im Rahmen des § 18 Abs. 2, 2. Hs. BNotO hat die Aufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob der verstorbene Beteiligte, wenn er noch lebte, bei verständiger Würdigung der Sachlage die Befreiung erteilen würde oder ob unabhängig hiervon durch den Todesfall das Interesse an einer weiteren Geheimhaltung entfallen ist.

2. Dabei ist nur über die auf einen bestimmten tatsächlichen Vorgang bezogene Befreiung des Notars von der Verschwiegenheitspflicht zu entscheiden, aber nicht (auch nicht nur mittelbar) darüber, ob überhaupt und wie der bei einer stattgebenden Entscheidung von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundene Notar dem Antragsteller die erstrebte Information zu verschaffen hat.

3. Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um die Verwirklichung des letzten Willens sicherzustellen, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch letztere informiert werden.

BGH, Urteil vom 20.07.2020 – NotZ(Brfg) 1/19
(Leitsatz)

Totenfürsorgerecht

1. Der Totenfürsorgeberechtigte kann vom Verstorbenen selbst bestimmt werden; dessen individuelle Festlegungen und persönliche Anordnungen sind dann grundsätzlich vorrangig und binden auch den „gesetzlichen“ Inhaber des Totenfürsorgerechts.

2. Für die Festlegung des Totenfürsorgeberechtigten durch den Verstorbenen zu dessen Lebzeiten und dessen Anordnungen gegenüber dem bestimmten Totenfürsorgeberechtigten ist keine besondere Form vorgeschrieben.

3. Die Totenfürsorge versetzt den Berechtigten grundsätzlich auch in die Lage, die Bestimmung hinsichtlich der Gestaltung und der Festlegung des Erscheinungsbilds der Grabstätte vorzunehmen.

4. Durch lebzeitigen Abschluss eines „Dauer- (Legat-) Grabpflegevertrag[s], Treuhandvertrag[s]“ kann die Grabpflege rechtswirksam von der Totenfürsorge ausgenommen und auf einen Dritten, beispielsweise eine Gärtnerei, übertragen werden.

5. Hat der Verstorbene den Grabpflegeauftrag zu Lebzeiten einer bestimmten Gärtnerei erteilt, ist anzunehmen, dass dieser Auftrag auch nach Fortführung des Unternehmens durch einen Nachfolger Bestand behalten soll.

OLG Koblenz, Beschluss vom 25.03.2021 – 12 U 1546/20
§ 164 BGB

Zu den Ermittlungsobliegenheiten beim fiktiven Nachlass durch einen Notar

1. Ein notarielles Verzeichnis, bei dessen Aufnahme das geltend gemachte Zuziehungsrecht missachtet wurde, hat keine Erfüllungswirkung.

2. Der Notar muss dem Verbleib erheblicher Zahlungseingänge nachgehen, wenn zwischen den eingegangenen Beträgen und den im Nachlassverzeichnis angegebenen Kontenständen beim Erbfall eine beachtliche Differenz besteht.

3. Eine Ermittlungstätigkeit des Notars, nur Überweisungen mit dem Zweck „Schenkung“ festzustellen, ist unzureichend. Allfällige Überweisungen lassen sich vielmehr an der Höhe des Überweisungsbetrages, an der zeitlichen Nähe zur Auflösung anderer Vermögenswerte oder auch an Zweifeln an dem angeblich zu Grunde liegenden Kausalgeschäft erkennen.

OLG Köln, Beschluss vom 25.02.2021 – 24 W 50/20, 24 W 51/20
(Leitsätze der Schriftleitung)

Testierwille

Ein Testament ist nur dann wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernstlichen Testierwillen hatte, d.h. ernstlich eine rechtsverbindliche Anordnung für seinen Todesfall treffen wollte. Zweifel an einem endgültigen Testierwillen können sich u.a. aus ungewöhnlichen Schreibmaterialien, ungewöhnlichen Errichtungsformen, der inhaltlichen Gestaltung und einem ungewöhnlichen Aufbewahrungsort ergeben. Bei solchen Zweifeln ist stets zu prüfen, ob es sich nicht lediglich um einen Testamentsentwurf handelt.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.06.2021 – 10 W 18/21
(§ 133 BGB)

Vernehmung eines Notars als Zeugen

Ein zur Verschwiegenheit verpflichteter Notar kann nicht auf der Grundlage einer mutmaßlichen Einwilligung eines verstorbenen Erblassers als Zeuge über dessen Willensbildung bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung vernommen werden. Maßgeblich ist insoweit allein die Befreiung von der Pflicht zur Verschwiegenheit durch die Aufsichtsbehörde (§ 18 Abs. 2 Hs. 2 BNotO).

OLG Frankfurt, Beschluss vom 18.03.2021 – 20 W 275/19

Tatsächliche Vermutung dahingehend, dass keine Wechselbezüglichkeit bei Erbeinsetzung der Kinder direkt durch beide Ehegatten vorliegt

1. Bei einer wechselbezüglichen Verfügung soll nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen.

2. Setzen die Ehegatten durch gemeinschaftliches Testament das gemeinsame Kind jeweils direkt zu ihrem Erben ein, besteht die tatsächliche Vermutung, dass die jeweilige Erbeinsetzung nicht wechselbezüglich verfügt ist. Dies gilt, solange keine sonstigen Tatsachen vorhanden sind, aus denen geschlossen werden könnte, dass der eine Ehegatte gerade deshalb das andere Kind zu seinem Erben bestimmt hat, weil auch der andere Ehegatte entsprechend verfügt hat.

3. Die ergänzende Testamentsauslegung setzt eine Regelungslücke voraus.

4. Die Feststellungslast für die die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament begründenden Tatsachen trifft denjenigen, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt.

KG Berlin, Beschluss vom 12.02.2021 – 6 W 1071/20
(Leitsatz)

Zur Unauffindbarkeit eines Testaments und der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten

1. Die Unauffindbarkeit eines Testaments statuiert zunächst keine Vermutung dahingehend, dass es von dem Erblasser vernichtet worden und deshalb gem. § 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist. Die Formgültigkeit sowie der Inhalt des Testaments können vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden, wobei an den entsprechenden Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Feststellungslast trägt hierbei derjenige, der sich auf die formgültige Errichtung des Testaments beruft.

2. Wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Es ist hierbei auch möglich, dass die Verfügungen in mehreren gemeinschaftlichen Testamenten wechselbezüglich sind.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2021 – 21 W 165/20
(Leitsatz)