Entlassung des Testamentsvollstreckers bei Nichtabführung der Erbschaftsteuer

1. In einem vorangegangenen Entlassungsverfahren festgestellte Pflichtverletzungen eines Testamentsvollstreckers gelten in einem späteren Entlassungsverfahren nicht als „verbraucht“.

2. Die fehlende Entrichtung der Erbschaftsteuer nach etwa fünfeinhalb Jahren stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Testamentsvollstreckers dar.

OLG Naumburg, Beschluss vom 23.02.2021 – 2 Wx 31/20
(Leitsatz)

Sittenwidrigkeit eines zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ errichteten notariellen Testaments

1. Zur Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers.

2a. Ungeachtet der nach wie vor fehlenden Wertung des Gesetzgebers, dass Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als sittenwidrig anzusehen sind, kann ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines „Seniorenbetreuers“ sittenwidrig sein, wenn — wie vorliegend — eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen.

2b. Dass als Folge der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus erben wird (§ 1936 Satz 1 BGB), verändert den Maßstab bei der Anwendung von § 138 BGB nicht zugunsten der eingesetzten Erben.

OLG Celle, Urteil vom  07.01.2021 – 6 U 22/20
(Leitsatz)

Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments in zwei getrennten Urkunden

1. Ein gemeinschaftliches Testament kann durch Ehegatten nicht nur in einer einzelnen, sondern auch in zwei getrennten Urkunden errichtet werden. Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Erklärung ist es nicht ausreichend, dass die beiden Einzelurkunden am gleichen Tag und Ort und mit im Wesentlichen gleichem Inhalt errichtet worden sind, wenn sie darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Eheleute als gemeinschaftlich erklärend aufgetreten sind.

2. Zu den Voraussetzungen der Amtsaufklärung der Testierfähigkeit der zur Zeit der Errichtung des Testaments unter Betreuung stehenden Erblasserin.

OLG Hamm, Beschluss vom  06.05.2021 – I-10 W 9/21
(Leitsatz)

Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung

Die Frage, ob ein Ausschluss der Ausgleichungspflicht nach § 2057a BGB durch letztwillige Verfügung erfolgen kann, ist weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Nach einhelliger Ansicht der Literatur kann der Erblasser eine solche

Ausgleichung durch Verfügung von Todes wegen einschränken oder ausschließen.

BGH, Beschluss vom 24.03.2021 – IV ZR 269/2
(Leitsatz)

Beeinträchtigende Schenkung (§ 2287 Abs. 1 BGB) bei Erbenmehrheit

1. Der Herausgabeanspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB gehört nach ständiger Rechtsprechung nicht zum Nachlass.

2. Wenn mehrere Vertragserben bzw. bindend eingesetzte Schlusserben vorhanden sind, steht der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nicht den Erben gemeinschaftlich zu, sondern jedem von ihnen persönlich, und zwar zu einem seiner Erbquote entsprechenden Bruchteil.

BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 8/20
(Leitsatz)

Zum Anspruch auf Wertermittlung des Pflichtteilsberechtigten bei Veräußerung des Nachlassgegenstands durch den Erben

Dem Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Wertermittlung gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB steht nicht der Umstand entgegen, dass der Nachlassgegenstand vom Erben nach dem Erbfall veräußert wurde.

BGH, Urteil vom 29.09.2021 – IV ZR 328/20
(Leitsatz)

Anfechtung der Ausschlagung bei Irrtum über die Person des Nächstberufenen

1. Bei einer sogenannten „lenkenden Ausschlagung“ stellt der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben grundsätzlich einen beachtlichen Rechtsfolgenirrtum als Inhaltsirrtum dar.

2. Irrt der Ausschlagende nicht über den durch seine Ausschlagung bewirkten Anfall der Erbschaft bei dem Nächstberufenen, sondern war das Ziel seiner Ausschlagung, dass nach weiterer Ausschlagung durch einen der Nächstberufenen die Erbschaft bei einer bestimmten Person anfällt, so irrt der Ausschlagende nicht über die unmittelbaren Rechtsfolgen seiner Ausschlagungserklärung. In diesem Fall bleibt es bei einem unbeachtlichen Motivirrtum.

OLG Frankfurt, Beschluss vom  06.02.2021 – 21 W 167/20

Erbenfeststellungsklage

1. Die Relativität von Prozessrechtsverhältnissen beschränkt bei Klagen, die auf Feststellung des Erbrechts gerichtet sind, nicht den Prüfungsumfang des Gerichts hinsichtlich der Auslegung von Verfügungen von Todes wegen. Verfügungen des Erblassers dürfen auch dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn sie das konkrete Prozessrechtsverhältnis nur mittelbar betreffen.

2. Deshalb bleibt eine auf Feststellung des Erbrechts gerichtete Feststellungsklage auch dann erfolglos, wenn ein Dritter, der nicht am Rechtsstreit beteiligt ist, zweifelsfrei Erbe geworden ist.

3. Wird über die positive Feststellung der eigenen Erbenstellung hinaus die Feststellung beantragt, die beklagte Partei sei nicht Erbe geworden, besteht für eine solche Klage kein Feststellungsinteresse.

4. Geht es um die Frage, ob eine Ersatzerbeneinsetzung gegen § 14 HeimG verstößt, setzt ein Verstoß voraus, dass zwischen dem Testierenden und dem Ersatzerben Einvernehmen im Hinblick auf die Zuwendung vorliegt.

OLG München, Beschluss vom 05.07.2021 – 33 U 7071/20

Ausschlagung eines minderjährigen Kindes

1. Bei der Ausschlagung der einem minderjährigen Kind angefallenen Erbschaft handelt es sich gemäß § 1643 Abs. 2 BGB um eine genehmigungsbedürftige Erklärung. Hat das Familiengericht die Genehmigung versagt, so hat dies zur Folge, dass das minderjährige Kind gesetzliche Erbin bleibt und für etwaige Nachlassverbindlichkeiten haftet.

2. Mit der Beschwerde kann nur erreicht werden, dass die Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft erteilt wird. Damit ist die Erbschaft indes noch nicht ausgeschlagen. Vielmehr steht es der Sorgerechtsinhaberin frei, ob sie von der Genehmigung gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch macht oder nicht.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2021 – 13 WF 14/21
(Leitsatz der Schriftleitung)

Pflichtteilsentziehung

Der Entziehungsgrund des § 2333 Abs.1 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte zu einer Einzelstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden ist; die Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung oder — wie vorliegend — die Verhängung mehrerer Gesamtfreiheitstrafen, die zusammengerechnet eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung ergeben, reicht nicht aus.

OLG Köln, Beschluss vom 21.01.2021 – 1-24 U 144/20
(Leitsatz der Schriftleitung)

Beginn der Verjährung von Pflichtteilsansprüchen Geschäftsunfähiger

1. Für den Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs eines Geschäftsunfähigen ist auf die Bestellung des Vormunds bzw. Betreuers und dessen Kenntnis abzustellen (§ 210 BGB).

2. Ein Vormund ist durch $ 1795 BGB nicht gehindert, von der Erhebung einer Klage bzw. Stellung eines verfahrenseinleitenden Antrags namens des Mündels gegen den Vormund oder einen nahen Angehörigen abzusehen.

OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2020 – 10 U 103/19

Zurückbehaltungsrecht zugunsten des Erben gegenüber Pflichtteilsberechtigten in Zahlungsstufe

1. Durch notariellen Pflichtteilsverzicht kann die Anrechnung auf den Pflichtteil nach § 2315 BGB einer Zuwendung eines Ehegatten an den gemeinsamen Abkömmling auch für den Nachlass des anderen Ehegatten angeordnet werden.

2. Ist dem Pflichtteilsberechtigten unter Pflichtteilsanrechnung eine Immobilie zugewendet worden und hat dieser auf Verlangen des Erben hierzu keine wertbildenden Faktoren mitgeteilt, kann der Erben sich auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gegenüber den Pflichtteilszahlungsansprüchen berufen.

OLG Oldenburg, Urteiil vom 23.06.2021 – III U 88/20
(Leitsatz)

Grabpflegekosten keine Nachlassverbindlichkeiten

1. Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1968 BGB.

2. Eine in einer letztwilligen Verfügung enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs.

3. Zur Berechnung des Zusatzpflichtteils gemäß § 2305 BGB.

BGH, Urteil vom 26.05.2021 – IV ZR 174/20
§ 1968, 2305 BGB

Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Testamentsechtheit

Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren — wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, „der den Zweifeln Einhalt gebietet“, ohne sie völlig ausschließen zu können.

OLG Rostock, Beschluss vom 31.08.2020 – 3 W 84/19
(§ 2247, 2267 BGB; § 26 FamFG)